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An einem grauen und nasskalten Tag betritt Gwenda Reed zum ersten Mal englischen Boden. Sie nennt England, wie fast alle Neuseeländer, "die alte Heimat". Warum, weiß sie selbst nicht genau. Sie ist auf der Suche nach einem schönen Haus irgendwo in Südengland. Dort will die frisch Vermählte mit ihrem Mann Giles leben.
Am nächsten Morgen leiht sich Gwenda ein Auto und fährt durch die kleinen und einsam in der weiten Landschaft gelegenen Dörfer. Sie hat kein besonderes Ziel und will, ganz ihrer Intuition folgend, einen Platz für ihr zukünftiges, gemeinsames Leben aussuchen. Als sie durch die letzte Kurve einer Hügelstraße nach Dillmouth steuert, gerät "ihr Haus" ins Blickfeld. Sie weiß es sofort: Das soll ihr Zuhause werden. Irgendwie kommt ihr das Haus wie ihr wirkliches Zuhause vor. Ein seltsames Gefühl überkommt sie, dass sie dieses Haus schon einmal gesehen hat. Aber das kann nicht sein. Sie ist in Neuseeland geboren und hat England noch nie in ihrem Leben betreten.
Nachdem alles geregelt ist - das Haus steht tatsächlich zum Verkauf und ist überraschend günstig -, telegrafiert sie ihrem Mann und beginnt, sich in dem Haus einzurichten.
Doch das seltsame Gefühl, dieses Haus zu kennen, verstärkt sich. Nach einigen Wochen hat sie plötzlich unerklärliche Angst, im Treppenhaus allein zu sein, und sie scheint die Tapeten in den Zimmern genau zu kennen ... die Tapeten, die mehrere Schichten unter den aktuellen Tapeten sichtbar werden! Auch scheint der Garten ihrem Gefühl nach umgestaltet worden zu sein - und der Gärtner bestätigt dies. Als sie eine Tür in die Wand brechen lässt, um einen Durchgang zum Esszimmer zu schaffen, stellen die Handwerker fest, dass dort vor langer Zeit eine Tür gewesen ist.
Gwenda hat immer stärker das Gefühl, das Haus nicht nur zu kennen, sondern in ihm etwas Schlimmes erlebt zu haben. Schließlich fasst sie den folgenschweren Entschluss, über die ehemaligen Bewohner alles nur Erdenkliche herauszufinden und sich über ihre Gefühle Gewissheit zu verschaffen, nicht ahnend, dass sie einen Mörder aus seiner sicher geglaubten Ruhe aufwecken wird. Ihr zur Seite steht nur Miss Jane Marple, die Tante von Raymond West, einem Vetter von Gwendas Mann Giles.
Kurz vor ihrem Tode im Jahre 1976 veröffentlichte Agatha Christie den letzten Roman mit Jane Marple als kluger Ermittlerin. Sie scheint nur eine alte Jungfer zu sein, die entweder Belangloses erzählt oder strickend zuhört und abwesend wirkt. Wer aber ein Problem hat oder den Rat von Jane braucht, stellt schnell fest, dass der Verstand der alten Dame messerscharf und ihre Auffassungsgabe einzigartig ist.
Ihr entgeht nichts, und auch die kleinste Kleinigkeit, am Rande irgendeiner Unterhaltung aufgeschnappt, wird von ihr als wichtiges Puzzle-Teil erkannt und ins Gesamtbild eingesetzt. Sie ist unerbittlich der Wahrheit verpflichtet und scheut sich nicht davor, ihr Leben zu riskieren, um einen Mord aufzuklären.
In diesem alten Herrenhaus entdeckt sie schnell, dass Gwenda weder verrückt ist noch Gespenster sieht. Sie vermag als Einzige den wahren Kern der seltsamen Wahrnehmungen der jungen Frau zu entdecken und geht zielstrebig vor, um aufzuklären, was sich in dem Haus zugetragen hat und inwieweit Gwenda darin verwickelt sein kann.
Es entspinnt sich ein höchst spannender und tragischer Fall, der nicht mit überraschenden Wendungen und Ereignissen geizt. Immer scheint nur Miss Marple zu wissen oder zumindest zu ahnen, wer hinter dem Ganzen steckt und woher Gwenda Gefahr droht.
In einem furiosen Finale, bei dem alles Vergangene ans Licht kommt, glänzt Miss Marple leider zum letzten Mal in ihrer unnachahmlich zurückhaltenden Art und liefert den Täter durch sein eigenes verräterisches Tun "ans Messer".
Die Romane der Christie sind kleine Epen über das vergangene, viktorianische England. In geradezu perfekter Art und Weise fängt sie Stimmungen und Einstellungen dieser Zeit ein und vermittelt dem Leser ein Bild dieser Epoche. Ihre prominente Vertreterin Miss Jane Marple verkörpert diesen viktorianischen Geist und macht deutlich, dass diese Zeit nur in ihr und ihren Haltungen noch existiert, ihre Umgebung aber längst in die Moderne aufgebrochen ist. Und diese Moderne entlarvt Agatha Christie mit literarischer Finesse und Leichtigkeit in der Person Jane Marples als die eigentlich rückständige Zeit, als eine Epoche ohne Werte und Moral. Indem sie ihrer Zeit diesen Spiegel vorhält, beweist sie, dass sie mehr als nur Kriminalromane schreibt.
In Vollendung ist ihr dies im vorliegenden Buch gelungen. Es ist eines meiner Lieblingsbücher der Autorin und sollte in keiner Krimi-Sammlung fehlen!