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Man freut sich ja eigentlich immer, wenn starke Frauenfiguren im von hypermaskulinen Kraftprotzen dominierten Universum der Videospielcharaktere auch mal die Hauptrolle übernehmen und die Welt vor allem möglichen Unheil bewahren können - zumindest so lange, bis man besagte Heldinnen in schlüpfrigen Kostümen mit Körbchengröße L wie Lara erspäht. "King's Bounty - Armored Princess" ist nun wirklich das letzte Spiel, das die übertriebene Sexualisierung seiner Hauptfigur Amelie auf dem Cover nötig hat, schließlich handelt es sich dabei um ein fröhliches, buntes Märchen, das in Sachen Gameplay und Story einen soliden Keuschheitsgürtel trägt.
Aber es wäre kleinlich, das Spiel nur anhand seines Covers zu messen, schließlich schafft es die Spielmechanik ganz alleine, den Titel zu tragen - muss sie auch, denn schließlich gibt es in der "King's Bounty Collection - Gold Edition", die das Spiel "King's Bounty - Armored Princess" sowie das Add-On "Crossworlds" umfasst, nicht viel mehr. Wie schon im Original "King’s Bounty - The Legend" fällt die Präsentation der Geschichte äußerst mager aus. Die fast ausschließlich über Texttafeln erzählte Geschichte mag zwar irgendwo simplen Charme haben, bewegt sich aber auf dem Niveau durchschnittlicher "Herr der Ringe"-Fanfiction. Doch "King's Bounty" spielt man - genau wie das unmissverständliche Vorbild "Heroes of Might and Magic" - nicht wegen seiner Handlung, sondern wegen der bewährten Mischung aus Rollenspiel und Strategie, die mit einem gut geölten Spielfluss-Motor an den Bildschirm bannt.
Rolle spielenAmelie startet mit ein paar mickrigen Truppen und einigen schwachen Zaubersprüchen im Gepäck und sieht sich mit der einschüchternden Aufgabe konfrontiert, einen gigantischen Dämonenfürsten wieder zurück in die Hölle zu schicken. So zieht sie als Ritter, Paladin oder Magier los und sammelt Erfahrung, Gold und Rekruten für ihre kleine Armee, die stetig anwächst. Der Rollenspielaspekt des Spiels funktioniert ganz genau wie im ersten "King's Bounty": Mit jedem Level-Aufstieg erhält man Runen in drei Kategorien, mit denen man die Fähigkeiten in den drei Talentbäumen Krieger, Paladin und Magier ausbauen kann. Das führt leider zu irritierenden Situationen, in denen man eine Wunschfähigkeit nicht erlernen kann, weil der letzte Aufstieg nicht ganz die Runen erbrachte, die man jetzt gerade benötigt. Zwar ist absehbar, dass die drei Charakterklassen die für sie wichtigsten Runen beim Aufstieg häufiger erhalten als die anderen, doch benötigt man nun mal alle drei Typen und sieht sich leider den Launen des Spiels ausgesetzt, wenn es darum geht, die richtigen Steinchen zu sammeln.
Monster kloppenUnd wie in Rollenspielen so üblich, kommt man an Level-Aufstiege durch das Sammeln von Erfahrungspunkte, die man durch das Erfüllen von Aufgaben und durch das Bekämpfen von Gegnern erhält. Anders als etwa bei "Heroes of Might and Magic" zieht man auf der Suche nach beidem nicht rundenweise, sondern in Echtzeit durch die Welt von "King's Bounty". Dabei blockieren immer wieder Truppen von Monstern den Weg, die mal stärker und mal schwächer ausfallen - je nachdem, wie hoch die Belohnung ist, die sie bewachen. So zieht man mit Amelie durch die in Inseln aufgeteilte Welt auf der Suche nach leichten Zielen und schwachen Monstertrupps, die Geld und Erfahrung abwerfen - wie ein feiger Schuljunge, der sich schwächere Kinder auf dem Schulhof rauspickt und um ihr Essensgeld verprügelt, während er die gefährlichen Jugendlichen der Oberstufe tunlichst meidet, um nicht selbst einen auf den Deckel zu kriegen.
Ein cleverer Spieler kann die teils behäbigen Monster auf der Landkarte sogar ausmanövrieren und selbst stärkeren Gegnern schöne Belohnungen unter der Nase wegschnappen - um sie dann zu überrollen, wenn man später im Kampf eine reelle Chance gegen sie hat.
Schlachten schlagenDie Schlachten in "King's Bounty" laufen ganz klassisch in rundenbasierter Manie ab und spielen sich wie kurze, komplexe Schachpartien - nur dass die Bauern diesmal Pfeilhagel schießen, die Läufer Gefallene wiederbeleben und die Dame Feuerbälle wirft. Jeder der unzähligen Truppentypen, die man bei "King's Bounty" in die Schlacht werfen kann, hat andere Fähigkeiten und Angriffswerte. Die richtige Zusammenstellung der eigenen Armee ist daher bereits die halbe Miete. Als Magier sammelt man am besten Fernkämpfer um sich, die den langsam heranschleichenden Feind beharken, während man selbst mit Feuerbällen und Blitzen um sich schmeißt. Als Krieger nimmt man sich starke Nahkämpfer, die beim Angriff besonders viel Schaden austeilen, und pflügt mit ihnen durch die gegnerischen Reihen. Fortgeschrittene Feldherren nutzen die Spezialfähigkeiten der Einheiten in cleveren Kombinationen, lassen etwa die Wächter-Droiden im Nahkampf ordentlich austeilen und einstecken, um sie nachher durch die Wartungs-Droiden wieder komplett zu reparieren.
Unterstützt wird der Kampf einerseits durch das magische Eingreifen Amelies, die ihr Zauberbuch mit allerhand spannenden Sprüchen füllen kann. Andererseits - und hier findet sich eine der wenigen Neuerungen gegenüber dem Vorgänger "King's Bounty - The Legend" - kann Amelie ihren knuffigen Hausdrachen, den sie zu Beginn des Spiels erhält, mit einer Spezialfähigkeit auf das Feld rufen und beispielsweise Barrieren errichten, feindliche Truppen verschieben oder Vulkane ausbrechen lassen. Dadurch werden die vier Wutkreaturen des Vorgängers nun in einer vereint, was dem Spiel ein bisschen Komplexität nimmt, ohne dass die enorme taktische Tiefe des Kampfs dabei angetastet wird.
Welt erkundenSo abwechslungsreich und fordernd die Kämpfe auch sind - das Erkunden der Weltkarte ist diesmal ziemlich öde geraten. Zwar zaubert das Spiel hier und da immer mal wieder eine kleine Überraschung wie etwa einen Hinterhalt oder zwielichtige Gestalten am Wegesrand aus dem Ärmel. Grundsätzlich ist jedoch stumpfes Leveln angesagt, will heißen: Man reitet hin und her auf der Suche nach besiegbaren Monstergruppen und ist danach damit beschäftigt, die verloren gegangenen Truppen am anderen Ende der Karte wieder aufzurüsten. Die Quests beschränken sich zum Großteil auf das Töten von bockschweren gegnerischen Helden. Ein bisschen hat man da das Gefühl, man würde wie eine unermüdliche Putzkolonne durch die Spielwelt ziehen und Gegner wegräumen, bis alles blitzeblank ist. Das funktionierte beim Vorgänger noch irgendwie besser ...
Lange spielenDie "King's Bounty - Gold Edition" bietet jedoch viel Spiel fürs Geld. Die "Armored Princess"-Kampagne schlägt locker mit 30 bis 40 Stunden zu Buche, obendrein gibt es noch die zwei wesentlich kürzeren Kampagnen des Add-Ons "Crossworlds", die sich ganz um spannende Kämpfe gegen Bossmonster oder gegen Helden auf speziellen Schlachtfeldern drehen. Und letztendlich gibt es noch einen Level-Editor, mit dem theoretisch unzählig viele neue Karten und Kampagnen erstellt werden können - sollte jemand irgendwann mal tatsächlich eine selbstgemachte Karte in den Tiefen des World Wide Web finden, so möge er uns Bescheid geben.
Wenn man "King's Bounty - The Legend" schon gespielt hat, gibt es nicht so viele Gründe, auch bei der "King's Bounty - Gold Edition" zuzugreifen. Die Story ist ein Witz und die Neuerungen muss man mit der Lupe suchen. Wer unbedingt mehr "King's Bounty" benötigt, das Spiel noch gar nicht kennt oder sich einfach die Wartezeit auf das dieses Jahr erscheinende "Heroes VI" verkürzen möchte, dem sei diese Gold Edition jedoch wärmstens ans Herz gelegt. Spannende Rundenstrategie gibt es eh zu selten, und im Mix mit der Rollenspielkomponente und den unzähligen Kreaturen funktioniert diese gleich doppelt so gut. Trotz der USK-Freigabe "ab 12 Jahren" dürfte "King's Bounty" auch für jüngere Spieler geeignet sein, denn die Aufmachung ist freundlich, bunt und unblutig, der Schwierigkeitsgrad sowohl für Anfänger als auch für Profis regulierbar. Eigentlich gibt es keinen erkennbaren Grund, warum das Spiel nicht schon ab sechs Jahren freigegeben sein sollte. Vielleicht liegt es ja am Cover … ?