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Elmore Leonard gehört im Krimi-Genre zu den produktivsten Schriftstellern überhaupt. Seine Bücher bestechen vor allem durch die authentischen Charakterzeichnungen, den lakonischen Ton und die packenden Milieuschilderungen. Mit seinem Werk "Road Dogs" legt Leonard storytechnisch den Nachfolger zu "Out of Sight" vor, der den meisten durch die Verfilmung mit George Clooney und Jennifer Lopez ein Begriff sein dürfte.
Jack Foley, der "Gentleman-Bankräuber", der weit über 100 erfolgreiche und gewaltlose Banküberfälle für sich verbuchen konnte, hat schon viele Jahre abgesessen und nach einem kurzen, abrupt beendeten Ausflug in die Freiheit noch viele Jahre vor sich, genaugenommen ganze drei Jahrzehnte. Im Knast freundet er sich mit dem schwerreichen, spleenigen Kubaner Cundo Rey an, der über eine ebenso attraktive wie gerissene Anwältin verfügt. Mit deren Hilfe werden aus 30 Jahren Haft plötzlich 30 Monate, und ehe er es sich versieht, ist Foley wieder auf freiem Fuß. Auch Cundo ist kurz vor seiner Entlassung und bittet Foley, solange ein Auge auf seine Häuser in Venice Beach und vor allem auf seine attraktive Verlobte Dawn zu haben, die seit acht Jahren vermeintlich keusch auf Cundo wartet. Das kann nicht gutgehen, denn Dawn Navarro ist eine sehr attraktive Frau und Foley ein attraktiver und charmanter Mann. Jack sieht sich alsbald hin- und hergerissen zwischen seiner Treue zu Cundo – schließlich waren die beiden im Knast ein unschlagbares Team, echte Road Dogs, die füreinander alles tun würden – und seiner Leidenschaft für Dawn. Die plant unterdessen ihr eigenes Ding und spielt fröhlich Cundo, Foley und alle anderen gegeneinander aus.
"Road Dogs" lässt sich in aller Kürze wie folgt zusammenfassen: Hier bescheißt (fast) jeder jeden. Jeder hat Hintergedanken und jeder lauert darauf, was der andere als nächstes plant. Dawn etwa betrügt Cundo seit Jahren mit allen möglichen Männern, unter anderem mit Cundos Vermögensverwalter Little Jimmy, dem Kleinganoven Tico und eben mit Foley. Der wiederum sieht seine Loyalität auf eine harte Probe gestellt. Da Cundo ihm 30.000 Dollar für die Anwältin "geschenkt" hat, steht er in dessen Schuld – fürchtet jedoch, dass Cundo bald auf weiteren Banküberfällen und anderen kriminellen Dingern bestehen wird, von denen Jack sich eigentlich gedanklich verabschiedet hat.
Soll Foley sich einfach davon machen – mit oder ohne Dawn, mit oder ohne Cundos beachtliches Vermögen? – oder soll er seinem
Road Dog treu bleiben? Neben Jack Foley sind auch die anderen im Mittelpunkt stehenden Figuren Fans von Elmore Leonard bereits bekannt; Dawn tauchte in "Volles Risiko" (Riding the Rap) auf, den merkwürdigen kleinen Cundo kennt man aus "LaBrava".
Leonards große Stärke sind nicht nur die lebendigen, treffenden und bisweilen sehr amüsanten Charakterbeschreibungen und die lakonisch-lockeren Dialoge, die voll aus dem Leben gegriffen sind, sondern vor allem die Beschreibung von Orten und Stimmungen. Man zieht als Leser mit Foley in Cundos Haus in Venice Beach ein und ist sofort gefangen genommen von der coolen Atmosphäre des Viertels, sieht die Strandpromenade mit den schönen Menschen vor sich und genießt die Stimmung einer Welt, in der niemand ernsthaft zu arbeiten scheint und sich alle mit Cocktails, Nichtstun und Gaunereien die Zeit vertreiben. Diese wirklich zum Greifen nahe Atmosphäre wird weniger durch explizite Beschreibungen erzeugt, sondern vielmehr durch perfekt gesetzte Akzente in den Dialogen und im Verhalten der einzelnen Romanfiguren. Es macht wirklich großen Spaß, sich durch diesen skurrilen Wust an Racheplänen, Liebesspielen, Intrigen und Verrat zu lesen, obwohl eigentlich gar nicht so viel passiert und man auch ahnt, worauf alles hinausläuft.
Fazit: "Road Dogs" ist eine entspannte, lässig geschriebene Gangstergeschichte über Verrat, Treue, Liebe und Hass, die mit faszinierenden Charakteren und einer umwerfend dichten Atmosphäre punktet. Wirklich cool und unterhaltsam – eine Steilvorlage für eine weitere Leonard-Verfilmung.
Bei Eichborn gibt es eine kleine Leseprobe: "Road Dogs"