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In "Kraa: Das verlorene Tal" erzählt
Benoît Sokal die mystisch angehauchte Geschichte des mächtigen Adlers Kraa und des jungen Indianers Yuma. Kraa, der seinen Bruder aus dem Nest gestoßen hat, um sich der lästigen Konkurrenz zu entledigen, verliert seine Eltern und gebietet von nun an als unumstößlicher Herrscher über das abgelegene Tal, in dem auch Yumas Volk lebt. Die Bewohner achten die Natur, leben im Einklang mit ihr und verehren den riesigen Adler, so dass alle ein raues, aber doch zufriedenes Leben führen. Dann jedoch dringen Fremde ins Tal ein, profitgierige Geschäftsleute und Neusiedler, die eine Mega-City aufbauen wollen und dafür Raubbau an der Natur betreiben. Kraa ist jedoch keineswegs bereit, die zerstörerischen Fremden zu akzeptieren, und stellt sich mit Yuma an seiner Seite gegen sie.
Benoît Sokals auf drei Bände angelegte Erzählung beginnt vielversprechend, indem der Autor zunächst aus der Sicht des jungen Adlers berichtet und dessen animalische, emotionslose Gedankengänge in passende Bilder kleidet. Nach einigen Seiten, nämlich wenn die geldgierigen Geschäftsleute im Tal einfallen und auch vor Mord nicht zurückschrecken, flacht die Geschichte aber etwas ab. Alles wirkt ziemlich vorhersehbar – ein bescheidenes Naturvolk lebt im Tal, verbündet sich zum Teil mit den Tieren, die dort wohnen, während die bösen Neusiedler von außen alles zerstören. Der Umweltschutzgedanke und die mystischen Aspekte sind zwar spannend, aber insgesamt leider nicht wirklich originell umgesetzt worden.
Die Zeichnungen von Sokal sind, wie bei allen Comics, letztendlich Geschmackssache, hier konnten sie aber nicht überzeugen. Interessant sind die kolorierten Bleistiftpanels auf jeden Fall, aber leider auch ziemlich statisch und vor allem im späteren Teil der Handlung oft unästhetisch. Die "Bösen" sind allesamt abstoßend hässlich, pockennarbig und mit groben, hinterhältigen Gesichtszügen ausgestattet. Hier erinnert "Das verlorene Tal" an einen alten Western, in dem die Bösen eben plakativ fies und böse sind. Die ursprünglichen Tal-Bewohner hingegen wirken recht austauschbar; am Anfang ist nicht einmal erkennbar, dass Yuma ein Junge ist.
Gerade in actionreichen Szenen offenbart Sokal einige Schwächen im Ausdruck seiner Figuren. Wenn jemand von einem Pfeil, einer Kugel oder von Adlerkrallen durchbohrt wird oder anderweitig einen gewalttätigen Tod stirbt, so wirkt das meistens wie eingefroren, die in Überraschung erstarrte Mimik passt überhaupt nicht zum Moment und wirkt dadurch aufgesetzt.
Demgegenüber sind die Bilder, die Kraa in Aktion darstellen, dynamisch und gelungen. Vor allem die ersten Seiten, in denen der riesige Adler vorgestellt wird, die aus seiner eigenwilligen Sicht erzählen und den Leser in das Tal und die Geschichte einführen, können durch die außergewöhnliche Atmosphäre überzeugen. Insgesamt sind die Tierzeichnungen und die Darstellung der Landschaft qualitativ wesentlich besser ausgefallen als die Zeichnungen der Menschen.
"Kraa – Das verlorene Tal" besitzt eine recht interessante Story, die aber zumindest im ersten Band nichts wirklich Originelles bietet. Die Zeichnungen können trotz der angenehmen Technik immer weniger begeistern, je weiter die Geschichte voranschreitet – zu grob und ausdruckslos bleiben die Gesichter, zu unbeholfen ausgerechnet die bewegten Szenen. Es bleibt abzuwarten, was der zweite Band "Kraa – Der Schatten des Adlers" vor allem storytechnisch zu bieten hat.
Eine Leseprobe gibt es bei Splitter: "Kraa - Das verlorene Tal"