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Der Midwinter ist angebrochen – jene eisige Jahreszeit, die die Welt der Fae nur einmal alle hundert Jahre heimsucht. In einer Gefängnisfeste im Nirgendwo vegetiert Mauritane, der einstige Hauptmann der Seelie-Armee, vor sich hin; vor zwei Jahren wurde er Opfer eines Komplotts, das ihm eine lebenslange Haftstrafe eingebracht hat.
Dann besucht ihn eines Tages ausgerechnet jener Mann, der ihn seinerzeit perfide zu Fall gebracht hat: Purane Es. Er kommt mit einer Botschaft von Königin Titania: Mauritane soll aus seinen Mitgefangenen eine kleine Truppe zusammenstellen und einen Geheimauftrag für die Krone ausführen. Gelingt ihnen dieser, erhalten sie alle ihre Freiheit zurück. Mauritane entscheidet sich für einen ehemaligen Adeligen, eine kampferprobte Kriegerin, zwei ehemalige Soldaten und einen Fremdling aus der Welt der Menschen, der auf der Suche nach einem Wechselbalg in die Welt der Fae gestolpert ist. Schon bald nach ihrem Aufbruch jedoch stellen die Gefährten fest, dass ihre Mission sie mitten in die Front des Krieges ziehen wird, der zwischen den Seelie- und Unseelie-Fae tobt – und dass ihre Überlebenschancen verschwindend gering sind.
"Midwinter" ist der Debütroman des Amerikaners Matthew Sturges, der zuvor als Comicautor auf sich aufmerksam gemacht hat (u. a. "House of Mystery" und – gemeinsam mit Bill Willingham – "Jack of Fables"). Nach einem sehr düsteren, rauen Einstieg wandelt sich die Erzählung in eine spannende, wenn auch mitunter episodenhafte Reisegeschichte. Dennoch ist "Midwinter" eher Sword & Sorcery als High Fantasy, trotz des Settings. Gerade durch seinen Handlungsschauplatz hätte Matthew Sturges seinen Roman von einem Großteil der üblichen Fantasy-Romane abgrenzen können, verlagert er ihn doch in die Welt der Feen, in der sich die Heere der Seelie-Königin Titania und die der Unseelie Mab erbittert bekämpfen. Anstatt sich jedoch von den folkloristischen Elementen, die er aufgreift, stark inspirieren zu lassen, bietet Matthew Sturges in "Midwinter" eine typische Standard-Mittelalter-Fantasy-Welt, die wirklich kaum neue Ansätze bietet.
Das wäre verschmerzbar, wenn dem Autor die Charakterentwicklung besser gelungen wäre: Leider entspricht auch die Überzahl der Figuren gängigen Klischees, die selten überraschen und mitunter sogar nerven. Lobende Ausnahme sind überraschenderweise vor allem die Antagonisten der Reihe – von Mauritanes Erzfeind Purane Es bis hin zu seiner Frau Lady Anne. Diese stattet Matthew Sturges mit einem komplexen Hintergrund aus, der ihre Motivation sehr nachvollziehbar und die Charaktere sogar bis zu einem gewissen Grad sympathisch macht, auch wenn man das, was sie in "Midwinter" tun, nicht gut heißen kann. Schade, dass Sturges diesen Aufwand nicht auch auf die meisten Mitglieder seines Söldnertrüppchens verwendet hat. Ins Auge fällt hier vor allem die Hauptfigur Mauritane, dessen kühle und stoische Art zwar seinen Charakter unterstreicht, mit dem man aber überhaupt nicht warm wird und von dessen Vergangenheit man so gut wie nichts erfährt; sowie die Kämpferin Raivee, die das Klischee einer wilden, unbeugsamen, Männer verachtenden Amazone, die sich dennoch am liebsten in die starken Arme des Helden werfen würde, erfüllt, dass die Fantasyliteratur nun doch eigentlich bereits seit über 30 Jahren überwunden hat. Dementsprechend geraten auch die Dialoge zwischen diesen Figuren mitunter pathetisch und wenig glaubhaft.
Dies alles soll jedoch nicht heißen, dass "Midwinter" gänzlich misslungen ist. Im Gegenteil, recht oft blitzen gute Einfälle und Charme durch. Zum Beispiel, wenn der Autor das Standardmuster des Menschen, der in einer Fantasywelt landet, dahingehend abwandelt, dass er diese Figur zum Nebencharakter macht, die (zumindest anfangs) dazu dient, auszuloten, wie ein Fremdling auf die Bewohner einer Fantasy-Welt wirken muss, und nicht umgekehrt. Zudem lässt sich das Buch – sieht man über die Mängel großzügig hinweg – gut lesen. Wenn jedoch ein Roman mit dem Zitat "Das beste Fantasy-Debüt des Jahres" beworben wird, sind klare Worte gefragt.
"Midwinter" – man verzeihe dem Übersetzer diese nicht nachvollziehbare Nicht-Übersetzung – ist ein netter Erstling, aber nicht der große Wurf. Ein Roman ist eben doch kein Comic, und was im einen Medium funktioniert, scheitert in einem anderen. Das ist schade, denn sowohl Matthew Sturges Plotidee als auch seine Schreibe weisen durchaus Potential auf. Man kann hoffen, dass es dem Autor gelingt, dieses in Zukunft besser zu nutzen.
Eine Leseprobe findet man auf der Verlagswebsite.