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Seit die Taliban in Afghanistan herrschen, ist nichts mehr, wie es war. Der Vater erschossen, die Mutter mit dem Tode bedroht, die Kinder der Sklaverei ausgesetzt, ist jeder Tag nur noch der Kampf ums Überleben. Aus dem Paradies ist für den zehnjährigen Enaiatollah die Hölle geworden. Die ältere Schwester und den kleinen Bruder zurücklassend bricht seine Mutter eines Morgens mit ihm auf und nimmt die beschwerliche und gefährliche Reise nach Pakistan auf sich. Sie will ihrem Enaiat dieses hoffnungslose Leben ersparen.
Wenig später lässt sie ihn in der Fremde allein. Einzig drei Regeln beschwört sie ihn am Vorabend ihrer Heimreise einzuhalten. Er soll niemals stehlen, niemals lügen und betrügen und niemals zur Waffe greifen, um einen anderen Menschen zu verletzen.
Doch der kleine, erst zehnjährige Enaiat gibt niemals die Hoffnung auf ein glückliches Leben auf, versucht in Pakistan und dem Iran durch harte Arbeit zu überleben und muss doch immer wieder fliehen, wenn ihm die Willkür der Polizisten und Religionswächter die Luft abschnüren. Er ahnt, dass ihm noch viele Niederlagen bevorstehen, viele Hindernisse in den Weg gelegt werden, und doch gibt er seine Hoffnung nicht auf, irgendwo in dieser Welt sein kleines Paradies wiederzufinden, wo ihn seine Mitmenschen akzeptieren und wie ihresgleichen behandeln.
Der Autor und Journalist Fabio Geda nimmt sich des Flüchtlings Enaiat Akbaris an und schreibt mit ihm gemeinsam seine Lebensgeschichte nieder, die eine schier unglaubliche Zahl an Vertreibungen und Niederlagen enthält und doch einen Menschen charakterisiert, der offen, neugierig und liebenswert ist.
Die gekürzte Lesefassung wird von Robert Stadlober ruhig und doch von innerer Anteilnahme bewegt glänzend vorgetragen wird. Als Hörer mag man kaum glauben, was Enaiat erleiden muss, wie sehr er immer wieder von Mitmenschen enttäuscht wird und doch eine positive Grundhaltung bewahrt, die ihn auch immer wieder Menschen kennen lernen lässt, die gut zu ihm sind, ihm helfen und beweisen, dass Flüchtlinge in dieser Welt mehr sind als Störfaktoren und Abschiebekandidaten.
Beeindruckend ist der schlichte, einfache Stil, den Fabio Geda wählt. Er verurteilt nicht, klagt nicht an, schimpft nicht über die grausamen Mitmenschen, lässt noch nicht mal im Ansatz Kritik an den Taliban und Paschtunen aufkeimen. Er beschreibt schlicht sachlich die Zustände und lässt die Täter sich selbst entlarven. Die Unmenschlichkeit erschüttert und nimmt doch wenig Raum ein. Zu sehr freut man sich über Enaiat, seine stille Hoffnung, seine Leidensfähigkeit und sein Glück, es schließlich tatsächlich zu schaffen – allen Widerständen zum Trotz.
Manchmal möchte man schlicht nicht mehr zuhören, so furchtbar sind die Erlebnisse, die ein Kind erleiden musste. Und doch überwiegen die Hoffnung, die positive Grundstimmung und die Mitmenschlichkeit, die immer wieder aufblitzen und für die man die unbekannten Wohltäter in den Arm nehmen möchte.
Diesen schlichten Bericht sollte man unbedingt gehört, oder besser noch, da in der Hörfassung gekürzt, gelesen haben, um zu verstehen, wie es Flüchtlingen ergeht, die zu Tausenden jeden Tag ihre Heimat verlassen, um zu überleben, und die es meist in unserer Wahrnehmung nur in eine Statistik schaffen, die als Urteil ihre Abschiebung beinhaltet.
Zur Hörprobe auf der Verlags-Website: " Im Meer schwimmen Krokodile "