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Franka lebt als erfolgreiche Drehbuchautorin ein wohlgeordnetes, angenehmes Leben. Als jedoch eines frühen Morgens vollkommen unerwartet ihre Schwester Lydia mit ihrer siebenjährigen Tochter Merle vor der Tür steht – beide völlig ausgehungert und verwahrlost -, droht dieses Leben völlig aus den Fugen zu geraten.
Als Kinder liebten Franke und Lydia sich innig, doch durch Neid, Familienstreitigkeiten und Lydias ständige Eskapaden wandelte sich die Liebe nach und nach in Hass, so dass der Kontakt bald komplett abbrach.
Nun ist Lydia nach langen Jahren im Ausland zurückgekehrt – und hat eine tödliche Krankheit mitgebracht. Als sie in Frankas Wohnung einen Zusammenbruch erleidet und ins Krankenhaus eingeliefert wird, steht Franka, die ältere Schwester, auf einmal mit der siebenjährigen Merle allein da. Plötzlich muss Franka Entscheidungen treffen, die sie eigentlich um jeden Preis vermeiden will: Wohin mit ihrer Nichte? Wo soll sie wohnen, wo zur Schule gehen – und was wird, wenn Lydia stirbt?
"Fremde Schwestern" von Renate Ahrens besticht von der ersten Seite an durch den unheimlich angenehmen, flüssigen Schreibstil, der den Leser sofort in seinen Bann zieht und ihn Seite um Seite umblättern lässt – trotz oder gerade wegen der unbequemen Thematik, denn die Autorin schafft es, die schwierige Situation so realitätsnah zu beschreiben, dass sie einen nicht mehr loslässt. In vielen kleinen Rückblenden erfährt der Leser, wie es zum Bruch zwischen Franka und Lydia kam, zwei Schwestern, die vom Typ her völlig unterschiedlich sind und die doch vieles aneinander bindet, obwohl sie es nicht wahrhaben wollen.
Sofort hat man ein äußerst plastisches Bild vor Augen von Franka, der vernünftigen, klugen, aber auch emotional unterkühlten Schwester, die sich früh vom lieblosen Elternhaus löst und schnell auf eigenen Füßen steht, und von Lydia, der hübscheren, künstlerisch begabteren und haltloseren der Beiden, die sich mehr schlecht als recht durchs Leben schlägt, früh drogensüchtig wird, um die halbe Welt reist und schließlich ein Kind bekommt, ohne zu wissen, wer der Vater ist. Die Konstellation lässt früh erahnen, dass Schwestern eine ganz besondere Beziehung haben und dass neben Liebe oft auch Rivalität und der Kampf um die Liebe der Eltern eine große Rolle spielen.
Eindringlich, aber auch angenehm unaufgeregt schildert Renate Ahrens, wie Frankas durchorganisiertes Leben durcheinander gerät, als Merle bei ihr einzieht. Zu Beginn wahrt Franka Distanz und ist nicht bereit, Abstriche bei ihrem gewohnten Tagesablauf zu machen, doch bald kann sie sich der Erfahrung, ein Kind in ihrem Leben zu haben, und den vielen dadurch bedingten Veränderungen nicht mehr entziehen. Klasse ist, dass der Roman sehr gefühlvoll ist und dabei, trotz aller angesprochenen Konflikte, an keiner Stelle kitschig oder rührselig.
"Fremde Schwestern" ist ein großartig geschriebener, emotional packender Roman über zwei ungleiche Schwestern, über das Aufbrechen alter Gewohnheiten und Gefühle und über unvorhergesehene Wendungen und Wandlungen im Leben. Auf jeden Fall eine Empfehlung!
Eine Leseprobe gibt es hier auf der Verlags-Website.