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Yu Xin gehorcht Kien Tang bedingungslos. Doch warum soll die weithin gefürchtete Killerin ein Exempel an einem armen und harmlosen Uhrmacher statuieren? Doch das Wort des mächtigsten Triaden-Bosses Shanghais ist Gesetz, und so macht sich Yu Xin auf, ihr blutiges Geschäft zu verrichten. Doch der Uhrmacher ist verschwunden, den Spuren nach zu urteilen entführt von kaiserlichen Soldaten. Yu Xin aber glaubt nicht an diese offensichtlich bewusst gelegte Spur und versucht herauszufinden, was an dem kleinen Handwerker so außergewöhnlich zu sein scheint, dass die Triaden sich mit ihm beschäftigen. Dabei stört sie der kleine Sohn des Uhrmachers, den sie in der zerstörten Werkstatt aufgegabelt hat, erheblich. Wiederum aber überrascht Kien Tang die junge Frau. Sie soll sich um den Kleinen kümmern. Was soll eine gnadenlose Mörderin mit einem Kind anfangen?
Shanghai, die neue Serie von Illustrator Yann Tisseron und Autor Mathieu Mariolle, stürzt den Leser im ersten Band in tiefste Verwirrung. Ist diese Geschichte ein Krimi, ein Fantasy-Epos, ein historischer Bericht über die Umtriebe der Engländer und Franzosen nach den Opiumkriegen Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts oder gar ein Drama mit einer Mörderin in der zentralen Rolle? Viele Zutaten, unzählige Personen und Handlungsträger, viele Spuren, noch mehr Nebelkerzen und Ereignisse, die nur vage erklärbar und noch viel weniger in einen Zusammenhang zu bringen sind. Da gibt es die Triaden, die Kolonialmächte, den verrückten Kaisersohn, seine Tante, eine Artistin des Chinesischen Staatszirkus, verschiedene zwielichtige Gestalten und Bedrohungen und nicht zuletzt den Sohn des Uhrmachers, der sich als die größte Überraschung entpuppt.
Nein, eine zusammenhängende Geschichte präsentieren Tisseron und Mariolle in "Kind des Regens" nicht. Und doch kann man diesen Band nicht mehr aus der Hand legen, wenn man die erste Seite umgeblättert hat. Zu stark ziehen den Betrachter die traumhaft schönen Bilder Tisserons in ihren Bann, diese Mischung aus unscharfen, verwaschenen, manchmal wie Traumsequenzen anmutenden Szenen, tief in die Seele der Protagonisten blickenden Nahaufnahmen, blutigen Kämpfen und ruhigen Ansichten einer fast mythisch wirkenden Stadt.
Hinzu kommen die sehr knappen Erklärungen, die vielen Andeutungen des Autors und die unzähligen, spannend angerichteten Puzzlestücke, die der Auflösung harren.
Die Trilogie "Shanghai" kann ein Desaster werden, sie kann aber auch ein geniales Stück Comickunst sein, der Auftakt beinhaltet beide Möglichkeiten. Wer sich nicht entgehen lassen will, wie Tisseron den Leser tief in diesen Alptraum einer längst untergegangenen Epoche hineinzuziehen versteht, muss "Kind des Regens" erwerben – mit dem Risiko, dass vor allem Szenarist Mariolle das Versprechen auf eine in sich schlüssige Geschichte in den Folgebänden nicht einlösen kann.
Eine ausführliche Leseprobe findet sich auf der Website des Splitter-Verlags