Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Gefühl | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
"Die dunkle Chronik der Vanderborgs" geht weiter mit Amanda, Estelles Tochter. Leser des ersten Bandes werden sich an
"Estelle" erinnern, mit der der Fluch in die Familie der Vanderborgs Einzug hielt. Auch Amandas Leben wird von ihm überschattet, doch lange ist ihr das unklar.
Amanda wächst behütet auf dem Gut Blankensee auf, wenn auch nicht mit so viel mütterlicher Liebe, wie das kleine Mädchen sich wünschen würde. Doch mit zunehmendem Alter wird ihr Verhalten ungewöhnlicher. Sie verspürt einen ständigen Durst nach Blut, der an ihrem 14. Geburtstag in einer Katastrophe gipfelt. Ihr Onkel Hansmann lässt sie in eine Nervenheilanstalt einweisen, wo sie wegen Schizophrenie behandelt werden soll. Doch Elektroschocks und andere grausame Behandlungsmethoden helfen nicht gegen das Monster in ihrem Inneren. Erst der junge Conrad Lenz, der bei Sigmund Freud in die Lehre gegangen ist, kann ihr helfen und sie langsam wieder zu sich selbst finden lassen. Bei ihm kann sie ihr inneres Monster im Griff halten, da sich zwischen den beiden eine zarte Liebe entspinnt. Mit ihm zusammen kehrt sie nach Blankensee zurück, um das Geheimnis ihrer Herkunft und ihrer Natur zu lüften. Die weitere Reise führt das junge Paar bis in die Karpaten, auf der Suche nach Estelle, die von ihrem früheren Ehemann Utz, Amandas gesetzlichem Vater, aus Rache verschleppt wurde.
Der zweite Band der Familienchronik um die Vanderborgs, in deren Genen der Vampirismus weiter gegeben wird, beginnt vielversprechend. Sehr nachvollziehbar, wie ein Mann, der seine Familie schützen möchte, die Nichte, die Blut trinken will, in eine Psychatrie einweisen lässt. Was Amanda hier einige Jahre lang ertragen muss, wird bewegend geschildert, und auch die Behandlungsmethoden des Psychiaters Conrad Lenz, der ihr schließlich wieder die Freiheit bringt, werden ausführlich erläutert. So lernt man nebenher noch einiges über Nervenheilanstalten zu Beginn des 20. Jahrhunderts und die Praktiken, die damals gängig waren.
Amanda selbst kommt dem Leser näher als ihre Mutter Estelle im ersten Band, vor allem ihre Suche nach ihren verschütteten Erinnerungen und dem Geheimnis ihrer Natur ist eindringlich geschildert. Nachdem sie tatsächlich sicher ist, eine Vampirin zu sein, verlieren diese Einsichten in ihre Seele leider an Spannung und Intensität. Dennoch ist ihre Geschichte spannend, mit Abstrichen in einigen Kapiteln des Buches. Die Reise in die Karpaten zum Beispiel ist zum Beispiel sehr schnell abgehandelt, obwohl die Ereignisse sich durchaus überschlagen und äußerst dramatisch sind. Die Rückreise wird dann wieder ausführlich und Etappe für Etappe beschrieben, auch wenn das nicht unbedingt notwendig ist.
Der geschichtliche Hintergrund dieses Buches ist immens. In den Jahren von Amandas Leben, die man miterlebt, wurde der Erste Weltkrieg beendet, viele Menschen verloren ihr gesamtes Vermögen im Börsencrash, die Weltwirtschaftskrise hielt den gesamten Globus in Atem. Dann kam das Erstarken der rechten Kräfte, Hitlers Aufstieg an die Macht, Judenverfolgungen, schließlich der Beginn des Zweiten Weltkriegs. All dies lässt Bianca Minte-König höchstens am Rande in ihre Erzählung einfließen, das einzig Politische, das wirklich in aller Ausführlichkeit behandelt wird, ist die Frauenbewegung und der Kampf um das Wahlrecht. Definitiv auch ein wichtiges und brisantes Thema der Zeit, aber im Vergleich zu den übrigen Ereignissen, die höchstens am Rande angerissen werden, eine nicht ganz verständliche Wahl. Diese Passage ist ein Beispiel für Handlungsabschnitte, die viel zu ausführlich und langatmig erzählt werden, um auch nur ansatzweise spannend zu sein.
"Amanda" ist über weite Strecken lesbarer als der Vorgänger und führt die Chronik der Familie konsequent weiter. Allerdings ist es immer noch kein gutes Buch, auch die Sprache, die wohl der Zeit angemessen sein soll, ist über weite Teile zu sehr verschnörkelt, ohne dabei glaubwürdig zu wirken. Stellenweise hat es den Anschein, als hätte die Autorin vergessen, welche Details ihre Charaktere schon erfahren haben. Als Leser ist einem sowieso klar, dass Amanda eine Vampirin ist, sie selbst ist aber noch auf Entdeckungsreise. Und dann wird auf einmal Wissen, das es 20 Seiten vorher noch nicht gab bei der Protagonistin, als gegeben vorausgesetzt, ohne dass sie dies irgendwie erfahren hätte. Diese Unsauberheiten sind störend für den Leser, der sich dann nicht mehr sicher ist, ob er vielleicht doch etwas überlesen hat, aus lauter Frust über die Geschichte ein paar Seiten überblättert hat. Normalerweise sucht man als Leser schnell die Schuld bei sich und mangelnder Aufmerksamkeit, in diesem Fall liegt es aber meistens am nicht klaren Verlauf der Geschichte und an kleinen Fehler seitens von Autorin oder Zweitleser.
Wer den ersten Band gut fand, wird auch an diesem zweiten seinen Spaß haben. Wer aber schon beim ersten Band nicht sicher war, ob diese Serie wirklich was für ihn ist, sollte vom zweiten Band die Finger lassen - es wird nicht unbedingt besser.
"Die dunkle Chronik der Vanderborgs" ist noch lange nicht beendet, weiter wird es im dritten Band ("Louisa: Mein Herz so schwer"), allerdings einige Jahrhunderte später, gehen. Dieser dritte Band, der im September 2011 erscheinen soll, wird voraussichtlich den Abschluss der Familiensaga bilden.