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In seiner neuen Graphic Novel "Die besten Zeiten", erschienen im Carlsen Verlag, versetzt Andreas Dierßen den Leser in eine deutsche Großstadt und das Alltagsleben ihrer Bewohner. Ein Nachtschichtarbeiter wird mit unsanftem Sturmklingeln von seinem Kumpel aus dem Schlaf gerissen, und nicht nur das: Er erfährt beim gemeinsamen Flanieren durch die Stadt, dass dieser sich auch noch weiter in sein Privatleben einmischt. Eine distinguierte ältere Dame und ein ebensolcher Herr fühlen sich gezwungen ihre Renteneinnahmen mit unlauteren Methoden aufzustocken. Ein grimmiger Geschäftsmann und ein Fahrkartenkontrolleur geraten aneinander. Und eine Art männliche Fee bringt einen brutalen Messerstecher mit einem Geldsegen in Schwierigkeiten. Diese und andere mehr oder weniger alltägliche Episoden urbanen Lebens verbinden sich zu einer nüchtern bis düster präsentierten Momentaufnahme, deren Motto eine der Figuren mit dem titelgebenden Zitat auf den Punkt bringt: "Die besten Zeiten sind vorbei." Und doch, am Ende steht ein hoffnungsgebendes Lächeln ...
Vom Carlsen Verlag als "gezeichneter Episodenfilm" angekündigt, sind in "Die besten Zeiten" auch sonst die Bezüge zum Kino unverkennbar. Nicht nur, dass die Storyelemente beinahe wie im filmischen Bilderfluss ineinander übergehen, auch die Art der Zeichnungen erinnert bisweilen an die von Storyboards.
Die durchweg in atmosphärisch passenden Grautönen gehaltenen Panels überzeugen durch eine abwechslungsreiche Anordnung und eine auf die jeweilige Situation abgestimmte Rahmung: Mal vermitteln angeschnittene Figuren den Eindruck, einen zufälligen Ausschnitt einer realen Szenerie präsentiert zu bekommen; mal wird Wert auf die ästhetische Hervorhebung eines bedeutungsvollen Gegenstandes gelegt. Auch die Zeichnungen selbst bestechen durch das durchdachte Nebeneinander von Tableaus, in denen die Hektik der aneinander vorbei lebenden oder auch mehr oder weniger flüchtig miteinander in Kontakt tretenden Großstadtmenschen zum Ausdruck kommt, und dem gezielt eingesetzten Blick auf narrative Details und vor allem auf die ausdrucksstarke, dabei jedoch nicht überzogene Mimik und Gestik der Figuren.
Der Reiz der Story liegt – dem Prinzip von Episodenfilmen folgend – weniger in einem durchgehalten Spannungsbogen, sondern vielmehr gerade darin, wie Erzählstränge aufgegeben und wieder aufgenommen werden, sich aber manchmal auch ganz verlieren. Dadurch entsteht ein schwebender Erzählfluss, der einen in die Atmosphäre der Zufälligkeit und Flüchtigkeit des Großstadtalltags hineinzieht. Dennoch ist die Story so komponiert, dass doch einige der zunächst lose erscheinenden Fäden zusammenkommen und es einige überraschende Wendungen gibt.
Fazit: "Die besten Zeiten" bietet ein kurzweiliges und atmosphärisches Vergnügen für diejenigen, die sich in Szenen des modernen Großstadtalltags einfinden wollen.