Gesamt |
|
Aufmachung | |
Bildqualität | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Als Hinterlassenschaft des Fotografen Fritz Eschen sind vor allem seine Alltagsaufnahmen des Nachkriegs-Berlin bekannt. Diesen Schwerpunkt hatte auch eine beeindruckende Ausstellung, die das Berliner Postfuhramt C/O Berlin dem Künstler im Frühjahr 2011 unter dem Titel "Fritz Eschen. Berlin unterm Notdach" widmete. Anlässlich dieser Werkschau hat der Lehmstedt Verlag jedoch einen Bildband zusammengestellt, der sich einer anderen Seite von Eschens Werk widmete, mit der er sich noch zu Lebzeiten vornehmlich einen Namen gemacht hatte, die aber inzwischen ein wenig in Vergessenheit geraten ist: seine Porträts.
Einige von Fritz Eschens hier versammelten Aufnahmen sind doch recht bekannt: Vor allem die interessant perspektivierte Fotografie Max Liebermanns bei der Arbeit an einem Selbstporträt, das genauso im Bildraum zu sehen ist wie das Spiegelbild des Malers, werden viele doch schon einmal gesehen haben. Neben diesem Highlight enthält das Buch über hundert weitere eindrucksvolle Porträts, mit denen Eschen in der Zeit von 1930 bis zu seinem Tod 1964 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens im Nachkriegsdeutschlands ins Bild bannte: Maler und Bildhauer, Grafiker und Architekten, Politiker und Wissenschaftler, Journalisten und Schriftsteller, Schauspieler und Regisseure. Bei der Auswahl, die in Anbetracht eines Nachlasses von rund 10 000 Fotografien von annähernd 1000 Personen sicherlich nicht leicht gefallen ist, wurden vor allem jene Porträts berücksichtigt, die Eschen selbst als besonders gelungen gekennzeichnet hat.
Fritz Eschen arbeitete vornehmlich als freier Fotograf, der sich bis auf wenige Auftragsarbeiten bei der Auswahl der von ihm porträtierten Menschen von seinem eigenen Interesse leiten ließ und die Ergebnisse dann verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften zur Veröffentlichung anbot. Seine Aufnahmen zeichnet aus, dass sie den Porträtierten nahe zu kommen suchen, indem sie sie möglichst natürlich in alltagsnahen Situationen zeigen, meist in ihrem eigenen Lebens- oder Arbeitsraum.
Fast wie Schnappschüsse wirken manche Aufnahmen, besonders wenn, wie im Fall einer Fotografie des Künstlers Oskar Kokoschka von 1955, der Körper des Porträtierten angeschnitten ist, manche Partien durch Bewegungsunschärfe leicht verschwommen und der alltägliche Hintergrund – eine Tür, ein mit einer Steckdose verbundenes Radio, ein angeschnittener Blumenstrauß – nicht arrangiert wirkt. Zugleich gewinnt man jedoch den Eindruck, dass der Moment, der Gesichtsausdruck, die Geste der abgelichteten Personen so genau abgepasst ist, dass die Fotografien doch wieder hochgradig gezielt einen repräsentativen Aspekt ihrer Persönlichkeit einzufangen suchen. Diesen herauszufiltern gelingt auf recht unterschiedliche Weise, mal durch mehr, mal durch weniger Stilisierung.
"Köpfe des Jahrhunderts" gibt, wie der Titel schon sagt, nicht nur Einblick in die Arbeit eines der bedeutendsten deutschen Porträtfotografen, sondern folgt auch dem Anspruch der Reihe "Bilder und Zeiten", in der der Band erscheint: Er gibt auch Einblick in einen bestimmten historischen Moment sowohl fotografischer als auch gesellschaftlicher Entwicklung. Es ist interessant zu sehen, wie sich bestimmte (Selbst-)Darstellungsstrategien von denen der letzten Jahrzehnte unterscheiden.
Fazit: Diese Publikation ist fraglos eine lohnenswerte Anschaffung für alle, die sich für Porträtfotografie interessieren!
Einen Einblick in den Bildband gibt es hier auf der Verlags-Website.