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Wesel. Erinnerungen an eine Stadt und ein Leben. Ereignisse, die Tobias im Gedächtnis geblieben sind und ihn bis heute nicht mehr loslassen. Der Hinterhof der Bank. Die gefangene Maus und ihr Grab unter der Tujahecke. Die Post. Ja, die Post, denn Freitagabend war die Post das Highlight der Woche, ja des ganzen Weseler Lebens – mit anderen Worten: die Dorfdisco. Der Umzug nach Düsseldorf, die Nachbarschaft zum Straßenstrich, die Langeweile und – last but not least, das Finale in Utrecht – verliebt, verlobt, verheiratet. Eben ein ganz normales Leben – mit Höhen und Tiefen, die andere nicht mal bemerkt haben. Mit tragischen Momenten, zeitlosen Augenblicken, banalen Ereignissen.
Autobiografien gibt es wie Sand am Meer. Manche gewichtig, manche allzu leicht, gelegentlich brutal sexistisch oder arg bemüht, manchmal auf den Bestsellerlisten ganz oben und doch stinklangweilig oder sehr anbiedernd. Selten interessant, noch seltener wirklich berührend.
Das alles ist "Sperrbezirk" nicht. Weit davon entfernt genial zu sein, glänzen die Bildergeschichten von Tobi Dahmen in winzigen Details. Die Maus betrauert, den Opa nicht – das berührt, das ist genau so gewesen, das kann man nachfühlen.
Die Zauderer unter den Lesern, die, die nicht die Klassenschönheit bekommen haben, die eben länger warten mussten, bis sie der wirklichen Traumfrau begegnet sind – und nicht nur der Frau, die den Hormonstau beseitigen half, die werden Tobis Erinnerungsschnipsel und Bruchstücke lieben. Oder die Mädchen und Frauen, die nicht so viele Trophäen wie möglich gesammelt haben, sondern ein ganz normales Leben gelebt haben. Die meisten Menschen also. Die, die nicht in den Schlagzeilen stehen, die nebenan leben oder gegenüber. Die, über die man selten liest und sich noch seltener nachhaltig erinnert.
Diesem Tobias in uns allen hat Herr Dahmen mit seinen autobiografischen Schlaglichtern nicht nur ein Denkmal gesetzt, er hat sie auch aus der verstaubten Ecke der Erinnerungen geholt, die viele eigentlich nicht mehr hervorkramen wollten. Und nun sehen, wie sanft und elegant diese Memorabilien aussehen, wenn man sie nur in ein schlichte ehrliche Hülle kleidet.
Womit man gleich die wichtigste Eigenschaft der Illustrationen – und der sie begleitenden, nicht minder wichtigen Texte – angelangt ist, der Ehrlichkeit dieser Erinnerungen. Ungeschminkt, nicht immer dem Protagonisten zur Ehre gereichend und selten rundheraus positiv. Eher launig, depressiv und melancholisch.
Wer eine Autobiografie lesen und betrachten will, die sich einbrennt, die unterhält und zum Nachdenken anregt, die weder Niederlagen noch den tristen Alltag ausblendet, sollte unbedingt einen Blick in "Sperrbezirk" werfen – wenn auch die Originalausgabe mit 5€ äußerst günstig war und der Nachdruck mit 10€ mit einer leichten Preissteigerung aufwartet, so lohnt sich dieser Comicband doch unbedingt.