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Ein männliches Wesen erwacht in einem Raumschiff und erlebt den Vorgang seiner Geburt/Inbetriebnahme als Albtraum. Es schält sich mühsam aus einem Sack, in dem es biotechnisch erstellt wurde. Es gelingt ihm, die gummiartige Membran zu zerfetzen, in der es eingeschlossen ist: Das Wesen beginnt, sich zu bewegen und zu atmen. Mit Hilfe eines "zarten Geschöpfes", das "zwar dünn, aber drahtig und stark ist" (S. 17) kommt es nackt und frierend ganz aus dem Sack frei.
Das Schiff erweist sich als ausgesprochen feindliche Umgebung: Durstig, hungernd und frierend rennt der "Lehrer", dem sein Wissen gentechnologisch einprogrammiert wurde, fortan um sein Leben, wobei er vom doch gar nicht so zarten Geschöpf gedrängt und unterstützt wird. Das Schiff bietet heftige Temperatur- und Schwerkraftschwankungen, viele hungrige Monster auf der Jagd, aber keinerlei Service. Eine Supernova hat das Schiff beschädigt. Zudem scheinen sich mindestens zwei Fraktionen einen Krieg im Schiff zu liefern. Eine davon ist die "Reiseleitung", eine kleine Gruppe von Menschen, die über das Ziel der Reise entscheidet, und die andere wird von "Mutter" angeleitet. Mutter erschafft Wesen aus dem Genpool des Schiffes, um sie nach ihren Zwecken einzusetzen. Welches sind diese Zwecke? Wer hat sie bestimmt? Gibt es vielleicht noch eine dritte Fraktion, die auch versucht, das Geschehen im Schiff zu beeinflussen? Antworten auf diese Fragen gibt es in kleinen Portionen im Laufe des Romans.
Der ethische Konflikt, der im Buch den Hintergrund der Story bildet, ist ernst und des Diskutierens wert. Wenn der Planet Erde sehr viele Ressourcen einsetzt, um ein Besiedlungsschiff auf die Reise über viele Jahrhunderte zu schicken (mit 20 Prozent der Lichtgeschwindigkeit über viele Lichtjahre Entfernung, wie im Buch angenommen), dann soll sich diese Investition lohnen, oder? Welche Mittel sollen und dürfen dem Schiff mitgegeben werden, damit die Reisenden, die SiedlerInnen, sich am Zielort auch gegen die Ureinwohner des Zielplaneten durchsetzen können? Sind wirklich alle Mittel gerechtfertigt? Wer an unsere Geschichte auf der Erde denkt und dabei an historische Ereignisse aus Kolonialismus und Imperialismus, kennt schon eine typisch menschliche Antwort. Ist es die einzige Antwort?
Leider ist für Bear diese zentrale Frage nur der Hintergrund für einen Roman, in dem der Lehrer als Nicht-Held (eine Figur wie in einem Roman von Philip K. Dick) einen fast endlosen Alptraum durchlebt. Wir LeserInnen müssen fast das ganze Buch lesen, bevor aus dem Gejagten und Verwirrten ein zumindest teilweise aktiv und bewusst planender, entscheidender Protagonist wird. Wer nicht gern mitleidet und liest, wie schlecht es einem Lehrer gehen kann, wird mehr als die Hälfte des Buches für schlicht überflüssig halten, für eine endlose Reihe von unerfreulichen Szenen, in der der Lehrer arm dran ist und irgendwie bedroht wird. Weil der Held im Roman nicht sterben kann und damit schon bald das Muster der Erzählung erkennbar wird, nach dem die Bedrohung immer schlimmer wird und die Rettung durch irgendetwas Unerwartetes dennoch stattfindet, begibt sich der Leser beziehungsweise die Leserin irgendwann hauptsächlich auf die Suche nach jenen Passagen im Buch, in denen es wirklich weiter geht, in denen etwas Relevantes passiert oder erklärt wird. Das kommt leider fast ausschließlich erst ganz zum Schluss. Schade!