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Zweihundert Jahre ist es her, dass Hildegunst von Mythenmetz unfreiwillig in die Katakomben von Buchhaim gelangte. Zweihundert Jahre, seit er gegen mörderische Bücherjäger und eklige Insekten kämpfte, zweihundert Jahre seit seinen denkwürdigen Begegnungen mit den Buchlingen und natürlich dem Schattenkönig. Als Resultat dieser großartigen und gefährlichen Abenteuer brannte Buchhaim damals komplett nieder – die Stadt der Träumenden Bücher war vernichtet und vom Schattenkönig in Schutt und Asche gelegt.
Mythenmetz selbst ist inzwischen zum bedeutendsten Dichter Zamoniens aufgestiegen, beliebt und bewundert – doch das Orm durchströmt den Lindwurm schon lange nicht mehr, Erfolg und Schmeicheleien haben ihn bequem, übergewichtig und verblendet gemacht, seine literarischen Erzeugnisse sind bar jeder Kunstfertigkeit und jedes Talents. Doch ein Brief, der ihm eher zufällig in die Hände fällt, ändert alles: Der geheimnisvolle Verfasser hat nicht nur Mythenmetz' Schreibstil auf das Perfekteste imitiert und dabei auch noch extrem gelungen persifliert, er behauptet auch, dass der Schattenkönig wieder da ist. Hildegunst bricht zum zweiten Mal gen Buchhaim auf, wo er feststellen muss, dass die Stadt sich in den letzten zwei Jahrhunderten von Grund auf verändert hat. Es soll der Beginn einer höchst gefährlichen Reise werden, die den Schriftsteller erneut tief in die labyrinthischen Katakomben der Stadt der Träumenden Bücher führt …
Leider muss man es direkt zu Beginn klar und deutlich sagen: "Das Labyrinth der Träumenden Bücher" ist eine Enttäuschung. Wie kann das sein bei einem so großartigen Stoff, auf den Walter Moers' große Fangemeinde so lange gewartet hat und es kaum erwarten konnte, das Buch endlich in den Händen zu halten? Eigentlich sind ja alle Zamonien-Romane absolut großartig und der Vorgängerband "
Die Stadt der Träumenden Bücher" kann sogar als das allerbeste Buch aus dieser Reihe bezeichnet werden.
"Das Labyrinth der Träumenden Bücher" enttäuscht nach einem verheißungsvollen Start trotzdem auf (fast) ganzer Linie, denn das Buch ist, böse ausgedrückt, eine Mogelpackung, was der Leser aber zunächst nicht wissen kann. Hildegunst von Mythenmetz bricht nach Buchhaim auf und der Leser harrt gespannt und voller Vorfreude der Abenteuer, die jetzt kommen müssen. Die Beschreibungen vom neu erbauten Buchhaim sind auch wirklich schön und fantastisch, man fühlt sich ein bisschen wie nach Hause zurückgekehrt, aber nach etwa 200 Seiten (von 430) beginnt man doch, unruhig zu werden. Nochmal 100 Seiten später beginnt sich leichte Panik breitzumachen - wie will Moers denn all die tollen Szenen, die noch folgen müssen, in den wenigen noch verbliebenen Kapiteln unterbringen? Es passiert nämlich: so gut wie nichts.
Mythenmetz trifft alte Freunde und macht neue Bekanntschaften, er erkundet Buchhaim und ergeht sich in sehr detaillierten Beschreibungen aller möglichen mehr oder weniger kuriosen Dinge. Leider ist das, was Mythenmetz – oder besser gesagt natürlich Moers – hier beschreibt, stellenweise höchst redundant. Der Gipfel ist eine rund 80 Seiten umfassende Szene, in der Hildegunst von Mythenmetz ein Theater besucht, in dem seine Erlebnisse aus "Die Stadt der Träumenden Bücher" gespielt werden. Fast einhundert Seiten Wiederholung von etwas, was der Leser des Vorgängerbandes bereits kennt – auch wenn die Handlung geringfügig durch den Theaterrahmen geändert wurde: Das ist eigentlich eine echte Unverschämtheit, und zum wirklich allerersten Mal ertappt man sich dabei, bei einem Roman aus Zamonien gelangweilt vorzublättern und Seiten zu überlesen, um die Stelle zu finden, an der es endlich weitergeht.
Es folgen langatmige Ausführungen zum Puppenspiel – Kapitel um Kapitel, in denen wiederum nichts passiert. Und dann, mit einem großen Cliffhanger, der zum ersten Mal überhaupt Spannung aufkommen lässt, ist das Buch zu Ende. Entsetzen beim Leser, bis er das Nachwort entdeckt. Wohlgemerkt, Mythenmetz ist noch gar nicht mit dem Labyrinth der Träumenden Bücher, geschweige denn mit irgendwelchen Gefahren, in Berührung gekommen.
Im Nachwort vertröstet Walter Moers den Leser dann auf die Fortsetzung, die mit dem nächsten Roman erscheinen soll. Ein Erscheinungsdatum gibt es natürlich nicht. Mehr als 400 Seiten Hinhaltetaktik, Wiederholung um Wiederholung, und dann der Hinweis: Ätsch, das war's, dieses Buch ist nur Vorgeplänkel, und zwar von der ersten bis zur letzten Seite. Was hat Walter Moers sich dabei nur gedacht? Ein Buch in zwei Teile aufzuteilen, weil es zu umfangreich ist und die Geschichte sich in alle möglichen Richtungen entwickelt, ist natürlich okay – aber nur, wenn im ersten Teil auch eine Handlung stattfindet und wenn der Käufer des Buches weiß, worauf er sich einlässt. So ist "Das Labyrinth der Träumenden Bücher" wirklich nur eine nette, fantasievolle Ouvertüre, allerdings zum Preis eines vollen Zamonien-Abenteuers. Nur ein bisschen tröstet es deshalb, dass die aufwändige Aufmachung inklusive Lesebändchen und die Illustrationen wieder wunderbar gelungen sind. Am Ende überwiegt aber die Enttäuschung – und auch der Ärger über eine Fortsetzung, die vieles versprochen, aber bisher nur wenig gehalten hat. Sehr, sehr schweren Herzens daher hier zum ersten Mal eine schlechte Wertung für einen Zamonien-Roman.
Eine Leseprobe, Hintergrundinfos und verschiedene Downloads zum Roman finden sich auf der Zamonien-Website unter www.zamonien.de