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Wenn die Löhne niedrig sind, die Mieten steigen und die Lebensmittelpreise immer weiter anziehen, werden manchmal selbst die bravsten Bürger zu Verbrechern. Im Jahr 1911 in Wien scheint alles wunderbar zu sein, doch unter der Oberfläche brodelt es. Gerade die Arbeiterschaft besitzt nur das Nötigste, doch die ausgeführten Streiks haben wenig Erfolg. Nepomuk Budka jedoch muss keine Geldsorgen befürchten. Seine Geschäfte sind nämlich eher unkonventioneller Natur. Nach außen hin ist er ein Mann, der von Haus zu Haus zieht, um billige Kolportage-Romane, deren Fortsetzung wöchentlich erscheint, an den Mann zu bringen. Doch sein eigentliches Haupteinkommen besteht in den geheimnisvollen Briefumschlägen, die auf ihn warten. Hier findet er die Namen von Personen, die bald sterben sollen.
Sein Bekannter, Frantisek Oprschalek, hat nicht so viel Glück. Er ist Schneidergeselle und hat sich, gemeinsam mit seinem Meister dem Streik angeschlossen. Doch ohne Einkommen wird er es nicht mehr lange machen können. Seine Verzweiflung und die Vorwürfe seiner Freu treiben ihn zum Mord, doch das ist erst der Anfang. Im Laufe dieses Jahres wird er eine blutige Schneise brennender Gebäude und toter Leiber hinter sich lassen.
Beide Charaktere, so unterschiedlich sie auch sind, finden bald das Interesse von Inspector Nechyba, doch Wien ist groß genug, um Verbrecher vor dem Gesetz zu verstecken.
"Mord und Brand" ist ein Kriminalroman, der ein Sittenbild Wiens im Jahr 1911 zeichnet. Statt auf packende Verfolgungsjagden, rätselhafte Spuren und Verhaftungen setzt Gerhard Lobelsberger lieber auf seine Charaktere. Der Leser kann so sowohl den alltäglichen Geschäften des Inspectors nachgehen als auch alle Pläne der beiden Verbrecher verfolgen. Ein halbes Jahr lang dauert es, bis den beiden das Handwerk gelegt wird, doch in dieser Zeit kann man so tief in die Gesellschaft Wiens eintauchen, dass man das Gefühl hat, mittendrin zu sein. Es ist eine besondere Gabe des Autors, frühere Zeiten zum Leben zu erwecken, als seien diese Dinge immer noch allgegenwärtig. Jedes Detail passt wunderbar in die lebendig gestaltete Atmosphäre, genau wie die agierenden Personen, von denen jede einzelne liebevoll skizziert wird.
Letztendlich gelingt es Nechyba alle Einzelheiten des Mordkomplotts aufzudecken, doch ist dies nicht das Hauptziel des Kriminalromans. Wer packende Momente, wilde Hetzjagden erwartet, der soll sich lieber einen amerikanischen Thriller suchen. Möchte der Leser aber wirklich tief in die Geschichte eintauchen und die einzelnen Charaktere und ihr Leben kennenlernen, so liegt er mit "Mord und Brand" genau richtig. Hier gibt es nicht viel Action, denn das echte Leben kennt sie kaum. Stattdessen gibt es gute und weniger gute Menschen und einige, die Verzweiflung und Hunger zu Dingen treibt, an die sie sonst nie denken würden. Dies macht die Figuren in diesem Buch so menschlich und die Erzählung so glaubhaft, dass sie dem Leser präsent und real vor Augen tritt.
Ein ungewöhnlicher Kriminalroman, der sicher nicht jedem gefällt, der aber seine Liebhaber dafür umso mehr überzeugt.
Eine Leseprobe gibt es hier auf der Verlagswebsite.