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 Wolfskinder


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
An einem schönen Tag macht sich der ehemalige Schlagersänger Lennart auf zum Pilzesammeln - doch was er im Wald findet, sind keine Pilze, sondern ein kleines Mädchen, in einer Plastiktüte vergraben und offenbar zum Sterben zurückgelassen. Der erste Schock, den Lennart erleidet, ist der grausame Fund an sich, der zweite folgt kurz darauf, als das Baby den Mund öffnet und einen perfekten, glockenhellen Ton in die Welt hinausschreit, der Lennarts Herz berührt. Er nimmt das winzige Geschöpf mit nach Hause und beschließt, zunächst gegen den Willen seiner Frau Laila, das Baby zu behalten und niemandem etwas davon zu erzählen. So wächst die "Kleine" - denn einen richtigen Namen geben die Fundeltern dem Mädchen nicht, nur der Sohn Jerry tauft sie irgendwann auf den Namen Theres - im Keller auf, weitestgehend isoliert von der Außenwelt. Nicht nur Theres' merkwürdiges Talent, in unfassbar reinen, hypnotischen Tönen singen zu können, verblüfft Lennart und seine Frau. Auch sonst ist "Kleine" ein merkwürdiges Kind, das kaum spricht, nie weint und erheblich in seiner Entwicklung verzögert ist. Die Jahre vergehen und bald sollen Lennart und Laila erfahren, dass sie sich mit dem Kind aus dem Wald den Tod ins eigene Haus geholt haben ...
Währenddessen wächst in Stockholm ein Mädchen namens Teresa auf. Sie ist ebenfalls ein ungewöhnliches Kind, bei weitem jedoch nicht so seltsam wie Theres. Teresa ist introvertiert, etwas pummelig und fühlt sich ausgeschlossen und einsam, eben "anders" an die anderen. Als sie das Internet und die Magie von Gedichten für sich entdeckt, kreuzen sich eines Tages die Lebenswege von Theres und Teresa. Die Mädchen lernen sich bald persönlich kennen - und bringen eine grausame Entwicklung in Gang, die Schweden eines Tages in der Zukunft in einen Schockzustand stürzen soll ...

Mit "Wolfskinder" - im Original subtiler mit "Kleiner Stern" betitelt - beweist John Ajvide Lindqvist erneut sein Faible für düstere Erzählungen, für menschliche Abgründe und das Entlarven vermeintlich harmonisch-behüteter Gesellschaften, die ja zum Beispiel auch im gefeierten "So finster die Nacht" eine große Rolle spielten. Hier erzählt er nun die Geschichte zweier Mädchen, die sehr ungleich aufwachsen, die aber dennoch zusammenfinden und sich instinktiv und mit drastischen Mitteln gegen die feindliche Welt verbünden. Theres umweht dabei ein stets ein Hauch des Unerklärlichen und Übersinnlichen - im Wald ausgesetzt, mit merkwürdigen Fähigkeiten ausgestattet, scheinbar autistisch, eiskalt und doch extrem empfindsam. Teresa, die mit den alltäglichen Gemeinheiten ihrer Mitschüler kämpft, wirkt bodenständiger und normaler, enthüllt aber durch die Freundschaft mit Theres bald immer mehr psychische Auffälligkeiten.
Was Lindqvist dem Leser hier serviert, ist in der Summe bedrückend, düster und stellenweise wirklich harter Tobak. Der Roman besitzt einige äußerst grausame, teils Übelkeit erregende Szenen, die der Autor fast beiläufig unterbringt, gleichzeitig aber detailliert ausschmückt. Hier werden Menschen mit Hämmern und Bohrmaschinen getötet, werden Knie zertrümmert und Mädchen lebendig begraben. Lindqvists Erzählweise besticht hier vor allem dadurch, dass er dem Leser keine befriedigenden Antworten gibt und schon gar keine Erlösung am Ende - es gibt keine Erklärungen, woher Theres kommt und warum sie ist, wie sie ist. Sogar die Begründung, die Teresa für das grausige Finale liefert, ist erfunden und bedient gängige Erwartungen der Gesellschaft, so dass die Gewalt noch sprachloser macht.

"Wolfskinder" ist faszinierend und deprimierend gleichermaßen. Schon nach den ersten Seiten kann man das Buch nicht aus der Hand legen und folgt bald sprachlos Lennart, Laila und Jerry, Theres und Teresa in ihre persönlichen Abgründe hinein. Ein äußerst spannendes, psychologisch vielschichtiges, aber zweifellos auch hartes Buch, das kein Horror- oder Mysteryroman im eigentlichen Sinne ist (obwohl Elemente von beidem vorhanden sind) und das eine stets präsente Atmosphäre von Bedrohung und Gewalt ausstrahlt. Verstörend und empfehlenswert, aber nicht für zartbesaitete Gemüter geeignet.

Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebsite: Wolfskinder

Christina Liebeck



Taschenbuch | Erschienen: 14. Oktober 2011 | ISBN: 978-3785760567 | Originaltitel: Lilla stjärna | Preis: 14,99 Euro | 560 Seiten | Sprache: Deutsch

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