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In einer Zeit, in der Krieg, Gewalt und Leid die Welt (wieder einmal) beherrschen: Gottes Sohn wird zum zweiten Mal auf die Erde geschickt, um sich den Menschen zu offenbaren und sie Gott näher zu bringen. Jesus aber weigert sich. Er hat den Verrat des Vaters und seine Leiden am Kreuz nicht vergessen.
Zur Strafe schlägt Gott seinen Sohn mit Blindheit, der nun seinen Schmerz mit Drogen betäubt, mit einem diabolischen Begleiter durchs Land zieht und dabei massenhaft Beweise findet, dass die Menschen - vor allem die notleidenden Kinder - Gott herzlich egal sind. Doch auch die Kirche wird auf die Rückkehr des Erlösers aufmerksam und möchte bald mit allen Mitteln verhindern, dass der Sohn Gottes erneut Wunder wirkt und die Macht des Papstes in Frage stellt ...
Ein stark übergewichtiger, ungepflegter, drogensüchtiger und bisweilen extrem gewalttätiger Jesus, dem des Öfteren der dicke Hintern aus der Hose hängt und der in seiner Blindheit bemitleidenswert ist, und an seiner Seite der aus der Hölle reaktivierte Hitler als ungenierter Zwerg mit Narrenkappe, der es mit Minderjährigen treibt - was Autor und Zeichner Matthias Schultheiss dem Leser hier präsentiert, ist großartig, aber auch starker Tobak und stellenweise Provokation pur. Gläubige Christen könnten sich bei diesem Comic ganz gehörig auf den Schlips getreten fühlen, den Band gar mit Empörung aus der Hand legen. Und dabei sind gerade der Irrsinn in dieser Story, das Fehlen jeglicher Tabus in Bezug auf den Sohn Gottes, auf die Kirche und Gott selbst wunderbar gelungen und herrlich erfrischend in ihrer gnadenlosen Kritik und ihrem bösen Humor.
Hinzu kommt, dass Schultheiss ein sehr origineller, inspirierter und talentierter Zeichner ist, der einen völlig eigenen Stil besitzt - die vielen Schraffuren, die lebendige Kolorierung, die teils ungewöhnliche Seitenaufteilung machen die hier erzählte Geschichte außergewöhnlich fesselnd.
Schultheiss zeigt viel Drastisches in seiner Version von Jesus' Rückkehr zu den Menschen. Erschütternd sind dabei vor allem die kleinen Krakeleien, die sich, wie von Kinderhand hinzugefügt, quer über viele Panels ziehen und die zeigen, wie unschuldige Kinder misshandelt, vergewaltigt und vernachlässigt werden - genau diese Anklage erhebt Jesus im Comic gegen seinen Gott. Doch "Daddy" ist keinesfalls eine rein provokative Aneinanderreihung von Gewalt, Sex, Drogen und deprimierenden Szenen aus einer haltlosen Welt, sondern scharfe, intelligente Kritik. Der Autor formuliert durch den Mund des gefallenen Sohn Gottes und seines fiesen kleinen Begleiters als bitterbösem Gegenpart clevere Fragen an unseren Glauben, die trotz der überbordenden Bilder und der skurrilen Handlung nachdenklich machen.
"Daddy" ist eine der außergewöhnlichsten Comic-Veröffentlichungen des Jahres 2011: bizarr, kontrovers und angenehm heftig ausgeführt, sowohl in den Zeichnungen als auch in den Dialogen. Jesus als leidender, sehr menschlicher Freak, der heftig an Gott zweifelt, und die Kirche als bösartige, machtbesessene Institution, die seine Wunderwerke auf Erden verhindern will: provokanter Stoff, der sehr lesenswert ist!