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 Seelen-Trilogie, Band 1: Der Pfad der Seelen

Serie: Seelen-Trilogie, Band 1
Autoren: Anna Kendall
Übersetzer: Simone Heller
Verlag: Blanvalet

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Der 14-jährige Roger Kilbourne kann den Pfad der Seelen beschreiten: Er kann mit seinem Geist in das Reich der Toten reisen – allerdings nur, wenn er große Schmerzen leidet. Es ist ein seltenes und gefährliches Talent und wenn die falschen Leute von seinen Fähigkeiten Wind bekämen, müsste er fürchten, wegen Hexerei verbrannt zu werden. Gemeinsam mit seiner verbitterten Tante und deren brutalem Ehemann zieht er hungernd durch die Lande und wird gezwungen, sein Talent dazu zu missbrauchen, leichtgläubigen Mitmenschen halbgare Botschaften aus dem Jenseits zu übermitteln und diesen so den letzten Groschen aus der Tasche zu ziehen - bis durch eine Verknüpfung unglücklicher Umstände die Königin auf ihn aufmerksam wird. Beim Volk selbst als Hexe verschrien, erkennt sie Rogers Talent sofort und macht ihn zu ihrem Hofnarren. Nach außen hin soll Roger die Witzfigur mimen. In Wahrheit jedoch soll er eines ihrer Werkzeuge werden, durch das sie den Thron an sich reißen kann, auf dem immer noch ihre Mutter sitzt …

Anna Kendall ist das Pseudonym der bekannten amerikanischen Science Fiction-Autorin Nancy Kress, die damit ihren ersten Vorstoß in die High Fantasy und in den All Age-Bereich wagt. Dessen eingedenk ist es nicht verwunderlich, dass es Kress aka Kendall so gut gelingt, ihre durchaus komplexe Handlung so flott und clever aufzubauen.
Dabei beginnt der Roman überraschend erdig: Die ersten sechzig Seiten konzentrieren sich auf Roger und das harte Leben, das er führt. Anschaulich beschreibt die Autorin seine ärmlichen Lebensumstände und das Dunkle, Erschreckende an seiner Gabe: Wenn er den Pfad der Seelen beschreitet, spürt er Erde in seinem Mund, Würmer in seinen Augenhöhlen. Das Land der Toten selbst ist kein Paradies, sondern ein staubiges, graues Reich; die Dahingeschiedenen sind antriebslos, bar jeder Persönlichkeit.

Obwohl dieses Konzept nicht uninteressant ist, nimmt die Handlung vor allem ab dem Zeitpunkt Fahrt auf, ab dem Roger an den Königshof kommt. In Kenalls High Fantasy-Welt herrschen nicht die Männer, sondern die Frauen. Im Schloss herrschen nicht eine, sondern zwei rivalisierende Königinnen: Mutter und Tochter, die beide ihren Alleinanspruch auf den Thron des Königinnenreichs erheben. Die Dienerschaft und die Garde sind zweigeteilt und es ist der Zufall, der Roger zu Königin Carolines Marionette werden lässt, nicht die bedingungslose Treue des Jungen zu seiner wahrhaften Herrscherin. Dieser politische Machtkampf wird mit Rogers innerem Konflikt geschickt verwoben: Roger sträubt sich, zum Handlanger der Königin degradiert zu werden, musste er doch jahrelang den Befehlen seinem grobschlächtigen Onkels folgen. Sein Handeln wird von dem Drang geleitet, die wunderschöne, aber leider oberflächliche Hofdame Cecilia zu beschützen. Dabei ignoriert er, dass diese nicht die gleichen Gefühle für ihn hegt wie er für sie. Außerdem will er unbedingt hinter das Geheimnis um das Seelenrankenmoor kommen – der Name eines seltsamen Ortes, von dem man nur hinter vorgehaltener Hand spricht, der mit Rogers eigener Vergangenheit zu tun zu haben scheint, über den aber niemand bereit ist, ihm Auskunft zu geben.

Es ist bemerkenswert, wie Anna Kendall ihren Protagonisten aufbaut: Roger ist nicht der typische Heroe. Er ist weder sonderlich gebildet noch sonderlich mutig. Das einzige, was ihn auszeichnet, ist sein starker Überlebensdrang. Das mag ihn für manche Leser auf den ersten Blick etwas unsympathisch erscheinen lassen, gerade dadurch wird er jedoch zu einem sehr realistischen, wahrhaften Charakter, wie es in der Fantasy leider viel zu wenige gibt.

Mitunter erinnert "Der Pfad der Seelen" ein bisschen an Robin Hobbs "Weitseher"-Saga, wobei letztere aufgrund des wesentlich größeren Umfangs epischer und facettenreicher daher kommt als Kendalls "Debüt". Das liegt auch daran, dass sich die Autorin bewusst an ein All Age-Publikum richtet und stilistisch auf eine rasch voranschreitende Handlung setzt, ohne sich in Details zu verlieren. Obwohl die Ingredienzien denen ähneln, wie sie George R. R. Martin und Robin Hobb verwenden, darf ein Leser nicht deren ausufernde, epische Wucht erwarten.

Trotz dieses reduzierten, auf das Wesentliche konzentrierte Schreibstil gelingt es der Autorin, plastische Bilder zu malen, die für ein Jugendbuch mitunter ungewöhnlich düster sind: Rogers Reisen auf dem Pfad der Seelen sind ungewöhnlich schmerzvoll und düster. Was er erlebt, ist teilweise sehr blutig und bizarr. Kendall spart nicht aus, dass es im Ringelreihe des Palastlebens auch zu so mancher Geschlechtskrankheit kommt – und schafft es zudem noch, dies zu einem wichtigen Motiv in der Handlung werden zu lassen. Da ist es nachvollziehbar, dass Blanvalet diesen Roman – anders als der US-Verlag - im Rahmen seiner High Fantasy-Sparte veröffentlicht.

"Der Pfad der Seelen" ist der spannende Auftakt einer Trilogie und bietet mehr, als es auf den ersten fünfzig Seiten den Anschein hat.

Christian Handel

Probe


Softcover | Erschienen: 18. Juli 2011 | ISBN: 9783442267927 | Originaltitel: Crossing Over | Preis: 14,00 Euro | 384 Seiten | Sprache: Deutsch

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