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Kleinasien bezeichnete in der Antike und in der Frühgeschichte ziemlich genau die Landmasse, die heute die Türkei einnimmt. Es handelt sich um eine Landschaft, die nur selten zum Zentrum eigener Reiche avancierte, die häufig Teil oder gar Peripherie von Reichen war. Dementsprechend handelt es sich um einen Raum, der viele Kulturen, viele politische und soziale Strukturen erlebt hat. Eine historische Gesamtdarstellung dieses Raumes von der ersten Besiedlung bis zum Ende der Antike ist daher kein leichtes Unterfangen. Christian Marek hat sich daran gewagt und damit ein Buch vorgelegt, welches folglich den Anspruch erheben muss, zu einem Standard- und Nachschlagewerk für Kleinasien zu werden.
Das recht großformatige und eng bedruckte Buch umfasst circa 950 Seiten. Der Textteil macht davon circa 700 Seiten aus, der umfangreiche Anhang circa 250 Seiten. Die Kapitel sind chronologisch geordnet. Die ersten Kapitel beschäftigen sich vor allem mit archäologischen Funden von den ersten nachgewiesenen Besiedlungen bis zu den ersten größeren Reichen in der Bronze- und Eisenzeit. Vor allem die Hetither nehmen hier einen großen Teil der Darstellung ein, wobei auch immer wieder ihre Beziehungen sowohl nach Westen wie nach Osten und Süden einbezogen werden.
Die weiteren Kapitel beschäftigen sich mit den griechischen Kolonien in Kleinasien, mit der persischen Herrschaft und später den hellenistischen Reichen nach den Eroberungen Alexander des Großen. Schließlich wird ausführlich - vom Umfang her sind das die größten Kapitel - über die römische Herrschaft Kleinasiens dargestellt. Das Buch endet mit einem Ausblick auf die byzantinische Zeit.
Alle Abschnitte der "Geschichte Kleinasiens in der Antike" geben stets einen umfassenden Einblick in die jeweilige Zeit. Neben ereignis- und politikgeschichtlichen Darstellungen finden sich stets Kapitel zu Kultur, Religion, Sozialstruktur, Ökonomie und Handel und zum Alltag.
Im Anhang findet der Leser alle Belege in einem großen Anmerkungsteil, sowie ein sehr ausführliches Literaturverzeichnis. Verschiedene Tafeln und Listen geben Überblicke beispielsweise über Herrscherdynastien. Viele Abbildungen sind bereits im Fließtext eingebaut.
Christian Mareks "Geschichte Kleinasiens in der Antike" ist allein von seinem Umfang mehr als ein Geschichtsbuch, es ist ein Nachschlagewerk, in dem der Leser zu jeder Zeit bis zum Ende der Spätantike schnell und zuverlässig ausführliche Informationen erhält. Der Ansatz des Autors, keine großen Theorien zu entwerfen, sondern nur darzustellen, dürften viele Historiker und Studenten in Zukunft ein wertvolles Nachschlagewerk verdanken. Der insgesamt erfolgreiche Versuch, von jeder Epoche eine möglichst umfassende Darstellung zu geben, macht das Werk in Fragen kleinasiatischer Geschichte konkurrenzlos.
Neben der chronologischen Darstellungsweise ist eine Klammer des Buches das Auffassen der Region Kleinasien als Transferregion über die Produkte, Wissen, Menschen und Kulturpraktiken sowohl von Ost nach West wie von West nach Ost gewandert sind. Es ist also gerade die Grenzlage, die Kleinasien häufig einnahm, die ihm seine kulturgeschichtliche Charakteristik gibt und es so vielfältig macht. Eine Einbettung Kleinasiens in die jeweilige Gesamtlage der bekannten Welt, ergibt sich aus dieser Perspektive ganz allein.
Das Buch lebt vor allem von seiner Faktenfülle, die nicht nur historische Faktizität, sondern auch geschichtswissenschaftliche Forschungsdebatten berücksichtigt. So erfährt der Leser zum Beispiel recht ausführlich den Stand der Troja-Debatte und inwiefern das Hethiterreich für diese Frage von Bedeutung ist.
Kritisch ist allenfalls, dass das Werk kaum geeignet ist, es vollständig zu lesen. Sein Faktenreichtum und sein Umfang sind zu groß. Der Verlag hat sicher versucht, das Buch auch für Laien interessant zu gestalten, indem beispielsweise auf Fußnoten im Fließtext verzichtet wurde. Ob das angesichts des Umfangs und der Informationsfülle funktioniert, ist zumindest zu bezweifeln. Dennoch ist "Geschichte Kleinasiens in der Antike" allen Interessierten sehr zu empfehlen. Wer das Buch oder auch nur Teile davon liest, wird es nicht bereuen. Für Historiker, Archäologen und Studenten wird es ohnehin bald ein Standardwerk sein, an dem sie nicht vorbeikommen werden.
Der Verlag bietet hier eine Leseprobe an (auf "Hineinblättern" klicken).