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FBI-Agent Aldo Sax befindet sich auf einer höchst mysteriösen und gefährlichen Mission: Im Rahmen einer bizarren Ritualmord-Serie, bei der alle Opfer grausam verstümmelt wurden, gibt es gleich mehrere Täter, die alle das gleiche anzutreiben scheint, die aber ansonsten höchst unterschiedlich sind. Ehe Sax sich versieht, steckt er mittendrin in einer geradezu unfassbaren Geschichte, in der ein heruntergekommener Musikclub, eine von H.P. Lovecraft inspirierte Sekte und eine sonderbare Droge eine Rolle spielen.
Wenige Monate später: Zwei FBI-Agenten besuchen ihren ehemaligen Kollegen Aldo Sax in der Psychiatrie, können aber nichts Sinnvolles aus ihm herausbekommen, denn Sax spricht mittlerweile nur noch eine vollkommen unverständliche Phantasiesprache. Was hat den Agenten angetrieben, welche Spuren hat er bei seinen Ermittlungen verfolgt, bevor er selbst durchdrehte und zum Killer wurde? Auf den Spuren von Aldo Sax gerät das Agententeam Brears und Lamper in Kreise, mit denen es sich besser nicht angelegt hätte ...
Spontan möchte man nach der Lektüre von Alan Moores "Neonomicon" ein von Herzen kommendes "holy shit!" ausstoßen - denn was der geniale Comicautor (
Watchmen,
V for Vendetta,
The League of Extraordinary Gentlemen,
From Hell) hier präsentiert, ist stellenweise richtig harter Tobak.
Der Comic vereint die zweiteilige Miniserie "The Courtyard", die bereits 2003 erschien, sowie die vierteilige Serie "Neonomicon", die storytechnisch nahtlos an den Vorgänger anknüpft. Kommt "The Courtyard" zwar skurril und gewalttätig wie eine düstere Akte-X-Folge daher, zeigt sich das eigentliche "Neonomicon" wesentlich handfester und in einigen Szenen ganz schön pornografisch, wobei die meisten Akte auch noch ausgesprochen non-con sind - es handelt sich also um Vergewaltigung. H. P. Lovecraft würde sich wahrscheinlich im Grab umdrehen, würde er Moores eigenwillige Verbeugung vor seinem Cthulhu-Mythos in die Finger kriegen, denn hauptsächlich dreht es sich hier um (monströsen) Sex. Lovecraft selbst hatte zumindest der Legende nach wenig bis keine erotischen Erlebnisse, war ein eigenbrötlerischer Rassist und seine Geschichten zeichnen sich durch viele schwammige und gezierte Andeutungen von "unaussprechlichen Vereinigungen" aus. Mit offensichtlichem Spaß an der Sache haben nun Alan Moore und Jacen Burrows diese Vereinigungen zwischen Mensch und Monster nicht nur ausgesprochen, sondern sie wurden auch in teils sehr explizite Bilder gefasst. Leser, bei denen die Vorstellung von Tentakel-Sex bereits Brechreiz hervorruft, sollten tunlichst die Finger von diesem Werk lassen. Alle anderen können beherzt zugreifen, die Story ist nämlich äußerst spannend, trotz des happigen und gewalttätigen Themas mit einem dicken Augenzwinkern erzählt - und sie überrascht am Ende mit einer geradezu genialen Wendung des Geschehens.
Zeichner Jacen Burrows hat das Artwork sowohl zu "The Courtyard" als auch zum "Neonomicon" beigesteuert. Die Zeichnungen sind großartig, außerdem überzeugt die ungewöhnliche strikte Panel-Aufteilung, die vor allem bei der ersten Geschichte um Aldo Sax ins Auge springt. Burrows verwendet pro Seite genau zwei gleich große, vertikal lang gezogene Bilder, die sich teils sehr ähneln. Aufgebrochen wird diese sehr strenge Anordnung nur, wenn es Grund dazu gibt - nämlich wenn Aldo Sax seinen Verstand verliert.
Alan Moore's Neonomicon ist vielleicht nicht so tiefsinnig und komplex wie Watchmen oder V wie Vendetta, aber die brutale, ab- und aufgedrehte Story macht einfach großen Spaß, auch wenn die expliziten Bilder und kranken Ideen teilweise verstören. Vor allem (erwachsene!) Fans von Horrormeister H. P. Lovecraft sollten einen Blick riskieren - Lovecrafts Wesen werden danach in völlig neuem Licht erscheinen.
Eine Leseprobe gibt's bei Panini: "Neonomicon"