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Die britischen Nachrichtendienste sind in höchster Alarmbereitschaft: Eine geheime Nachricht konnte abgefangen und entschlüsselt werden, die offenbar auf einen in Kürze geplanten Terroranschlag mit verheerenden Folgen hinweist. Die Rede ist von mehreren tausend Opfern sowie erheblichen negativen Auswirkungen auf britische Interessen. Wer ist der geheimnisvolle "noah", der in der Nachricht auftaucht und mutmaßlich hinter dem Anschlag steckt? James Bond wird auf die Sache angesetzt. Ihm bleiben nur wenige Tage Zeit, die nahende Katastrophe zu verhindern - doch zunächst einmal muss er herausfinden, wo und unter welchen Umständen der Anschlag überhaupt stattfinden soll ... Dabei stößt er auf finstere Machenschaften eines Müll-Unternehmers mit morbiden Vorlieben, auf schöne Frauen, einen cleveren und absolut tödlichen irischen Ingenieur und viele weitere Dinge, die seinen Einsatz erheblich erschweren. Aber Bond wäre natürlich nicht Bond, wenn er nicht immer noch ein Ass im Ärmel hätte!
"Carte Blanche" ist der Titel des neusten James-Bond-Romans, verfasst von
Jeffery Deaver ("Der Knochenjäger" u.v.a.). Die titelgebende weiße Karte steht zum einen für eine allumfassende Befugnis, mit der James Bond alle zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen darf, zum anderen für einen Cocktail, den er kreiert. Deaver ist zwar nicht Ian Fleming, aber man liest die Begeisterung, die er selbst für die unsterbliche Figur James Bond hegt, heraus. Er schafft es, den typischen Agentenroman-Stil überzeugend in die heutige Zeit zu übertragen und dem Roman die für einen guten Bond typischen Zutaten mitzugeben, als da wären: internationale Verwicklungen, schräge Bösewichter, massenhaft Täuschungsmanöver, High Tech, viele überraschende Wendungen, sowohl kluge als auch bildschöne Frauen und exotische Schauplätze aus aller Welt.
Im Mittelpunkt steht natürlich Bond selbst - hochintelligent, distinguiert, mutig und von einer solchen Kühle, dass sie bisweilen an Oberflächlichkeit glänzt. Selten lässt Deaver echte, tiefgehende Gefühle durchblitzen, wenn Bond die Welt aus pragmatischen Augen betrachtet; nur wenn es um seine Eltern und damit um seine Vergangenheit geht, ahnt man, dass auch Bond nur ein Mensch ist. Die meiste Zeit charakterisiert sich James, wie man es von ihm gewohnt ist, eher über die Äußerlichkeiten, die er schätzt und pflegt: sein Geschmack für schöne Frauen, erlesene Weine, gutes Essen, schnelle Autos, perfekte Waffen; seine guten Manieren und seine Weltgewandtheit. Nicht zuletzt ist Bond natürlich auch in diesem Roman ein cooler Tausendsassa, ein ausgezeichneter Schütze, perfekter Stratege und großartiger Kämpfer, der sich aus den misslichsten Situationen befreien kann, kurzum: ein mit allen Wassern gewaschener Held, der im makellosen Anzug die beste Figur macht.
Dennoch wird er glücklicherweise nie zum unmenschlichen Überhelden, sondern muss natürlich auch einstecken. Dass am Ende die Guten triumphieren, versteht sich von selbst. Dennoch ist der Roman sehr spannend und komplex aufgebaut, so dass die zahlreichen Wendungen, die bis zum Ende auftauchen, wirklich zu fesseln wissen.
Neben Bond fasziniert in diesem Roman vor allem der skurrile Geschäftsmann Severan Hydt, der mit seiner Recycling-Firma ein Vermögen gemacht hat und der sich für alles Alte, Verfallene und Tote brennend interessiert. Hydt schwelgt am liebsten in Fotos von Leichen, besucht Ausstellungen von Mumien und hat eine Frau, die er gerade wegen ihrer Falten und anderen Altersmerkmale erotisch findet. Man darf gespannt sein, wie Hydt in der Verfilmung herüberkommen wird - reizvoll und gleichzeitig eklig ist der Charakter allemal!
Der Roman spielt in der heutigen Zeit und reiht sich damit grob in die Zeitlinie der beiden neueren Verfilmungen ein; Al-Qaida und die Auswirkungen des 11. September sind immer noch allgegenwärtig; die Angst vor Terror hat die Welt im Griff. Der große Clou, der letztendlich hinter allem steckt, ist definitiv Bond-würdig und von Jeffery Deaver sehr clever ausgedacht! Die einzige Schwäche des Romans ist, dass er lang ist, sehr lang. Man wünscht sich hin und wieder, dass Deaver die Handlung um etwa 100 Seiten gekürzt und damit etwas mehr Tempo und Biss hineingebracht hätte. Dennoch: Ein gelungener Teil der James-Bond-Reihe, mit dem der Autor sich vor seinem großen Vorgänger Ian Fleming sicher nicht zu verstecken braucht.