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Was im Herbst 1968 an der Cubberley High School in Palo Alto unter der Leitung des Geschichtslehrers Ron Jones passierte, hat Todd Strasser alias Morton Rhue zu folgender Geschichte inspiriert:
Gerade hat Ben Ross den Filmprojektor ausgeschaltet. Laurie Saunders und auch einige ihrer Mitschüler aus Mr. Ross Klasse sind entsetzt. Das Thema des Films: die Nazis. Laurie und ihrer Freundin Amy, den Klassenbesten, ist es unbegreiflich, wieso damals so viele Leute einfach mitgemacht oder den Nationalsozialismus sogar verleugnet haben, denn sie hätten doch merken müssen, was für ein gefährlicher Unfug das Ganze war. Leider kann auch Mr. Ross seinen Schülern diese Frage nicht genau beantworten, weswegen er am Abend Berge von Büchern wälzt und seine schöne Frau Christy, die ebenfalls Lehrerin an der Gordon High School ist, einfach ignoriert, während er eine Antwort auf die Frage seiner Schüler sucht.
Spät in der Nacht hat er dann eine Idee ausgearbeitet - ein Experiment, welches - sollte es erfolgreich sein - seinen Schülern eine unvergessliche Erfahrung bescheren würde.
Als Mr. Ross Schüler am nächsten Morgen wie immer erst nach und nach eintrudeln, erleben sie eine Überraschung. MACHT DURCH DISZIPLIN prangt unübersehbar an ihrer Tafel, aber Mr. Ross will ihnen erst erklären, was das bedeutet, als sogar Robert, das Klassenopfer (heute mit einem "Tritt mich"-Zettel auf dem Rücken), endlich auf seinem Platz sitzt. Als Ruhe eingekehrt ist, beginnt Mr. Ross seinen Vortrag darüber, dass Disziplin zu Macht führe und diese dann Erfolg sichere. Der erste Schritt zur Disziplin beinhaltet für die Schüler die richtige Haltung: aufrechtes Sitzen mit gekreuzten Händen auf dem Rücken, parallele Beinhaltung, neunzig Grad Winkel der Knie, um freier atmen zu können - und ausgerechnet Robert macht es am besten. Die zweite Runde von Mr. Ross Experiment besteht darin, dass seine Schüler durch den Saal schlendern und sich auf sein Signal wieder in geübter Haltung setzen müssen. Doch erst als sie sich vor dem Klassensaal hintereinander aufreihen, schaffen sie es in sechzehn Sekunden. Danach stellt Mr. Ross drei einfache Regeln auf: Jeder muss Block und Kugelschreiber immer parat haben. Wenn Antworten gegeben werden, muss der entsprechende Schüler aufstehen. Und jeder Satz, der an den Lehrer gerichtet wird, muss mit "Mr. Ross" beginnen. Daraus entwickelt Mr. Ross ein Fragespiel, in dem seine Schüler knappe und immer präzisere Antworten auf seine Geschichtsfragen geben müssen. Zum ersten Mal in seiner Laufbahn muss Mr. Ross mit ansehen, dass seine Schüler nicht sofort aus seinem Unterricht stürmen, als es klingelt, sondern den Saal erst auf sein Zeichen hin verlassen.
Aber das ist erst der Anfang ...
Was hier auf den ersten Seiten als einfacher Spaß beginnt, endet mit einem drastischen Erwachen: In jedem der Schüler schlummerte ein perfekter Nazi.
Morton Rhue hat dieses eindrucksvolle Experiment von Ron Jones aufgegriffen, um das Ergebnis publik zu machen und um jedem Leser vor Augen führen zu können, dass nicht nur die Deutschen zum Tätervolk hätten werden können. Morton Rhue hat es zwar in dem Sinne einfach gehabt, da die Idee ja bereits bis ins Detail erarbeitet war, aber es gehört dennoch eine gewisse Kunstfertigkeit dazu, dieses Erlebnis so zu schildern, dass es dem Leser kalt den Rücken herunter läuft, wenn er - wie die Hauptfigur Laurie Saunders - merkt, welche Ausmaße das Experiment erreicht hat.
Hierbei ist auch die besondere Aufmachung dieses Buches zu beachten, welches bedeutende Momente mit größerer Schrift hervorhebt und sozusagen einen Werdegang der Ereignisse zeichnet. Ebenso findet sich überall das Zeichen der Welle wieder und zum Anfang jedes Kapitels werden Fotografien aus der Nazi-Zeit gezeigt, auf denen die Massen, die dargestellt werden, beständig größer werden; wie das Lauffeuer der Welle also, das an der Gordon High School um sich greift.
Alles in allem ist "Die Welle" ein sehr ergreifendes Buch. Ich persönlich vertrete sogar die Meinung, dass es wegen seiner Einzigartigkeit im Deutschunterricht zur Pflichtlektüre gemacht werden sollte, denn die zweihundert Seiten sind rasch gelesen und dafür bekommt man eine fundamentale Wahrheit geliefert. Wenn nicht in Deutsch, dann sollte im Geschichts- oder Sozialkundeunterricht der neunten oder zehnten Klasse, in welchen der Zweite Weltkrieg spätestens behandelt wird, zumindest die Verfilmung des Buches gezeigt werden, welche nicht minder eindrucksvoll ist. Vor allem, wenn man - wie am Anfang erwähnt - erfährt, dass das Experiment auf einer wahren Begebenheit basiert.
Deswegen kann dieses Buch auch nicht anders als mit der Höchstwertung bewertet werden, da man selten ein Buch erlebt, das auf zweihundert Seiten einen solch prägenden Eindruck bei seinem Leser hinterlässt.