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 Letzter Mann im Turm

Autoren: Aravind Adiga
Übersetzer: Ilja Trojanow, Susann Urban
Verlag: C. H. Beck

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Mumbai, die Gegenwart: Auf den fünf Stockwerken von Turm A der Wohnungsbaugenossenschaft Vishram Society lebt eine bunt zusammengewürfelte Gemeinschaft von Menschen - Versicherungsmakler, Inhaber von Internetcafés, Besitzer von Schreibwarenläden, Hausfrauen. Auch oder gerade weil ihr Leben eher Mittelmaß ist, sind sie alle stolz darauf, anständige Menschen zu sein. Man kennt sich seit Jahrzehnten in der Hausgemeinschaft, plaudert, verbringt die Festtage zusammen und hilft sich gegenseitig aus. Dann macht der Bauunternehmer Shah den Bewohnern der Vishram Society ein verlockendes Angebot: Er kauft ihnen ihre Wohnungen zu einem Preis ab, der weit mehr als 200 Prozent des Marktpreises beträgt. Mehrere Millionen Rupien und damit ein sorgenfreies Leben in einem besseren Stadtteil winken - und Schritt für Schritt verändern sich die redlichen Bewohner von Turm A. Denn das Geld können sie nur bekommen, wenn ausnahmslos alle zustimmen und ihre Unterschrift unter das Dokument von Mr. Shah setzen. Das Ehepaar Pinto weigert sich ebenso wie der pensionierte Lehrer Yogesh Murthy, von allen nur respektvoll Masterji genannt. Und während der Stichtag für die Vertragsunterzeichnung näher rückt, nimmt in der Vishram Society die Katastrophe ihren Lauf: Kälte, Misstrauen, üble Nachrede und schließlich unverhohlener Hass dringen auf den Mann ein, den die Bewohner für das Scheitern ihrer neuen, Millionen Rupien schweren Träume verantwortlich machen - den alten und sehr sturen Masterji ...

In seinen ersten beiden Romanen - "Der weiße Tiger" und "Zwischen den Attentaten" - zeigte Booker Prize-Gewinner Aravind Adiga das unverhüllte Gesicht seines Heimatlandes Indien, seiner Unsicherheit und Korruption, seiner Vielfalt und seines Chaos.
"Letzter Mann im Turm" ist erneut ein beeindruckendes Kaleidoskop des Lebens in Indiens Hauptstadt Mumbai, heruntergedampft auf einen Häuserblock voller durchschnittlicher Menschen, die durch ein unverhofftes Angebot von Luxus und Glück aus der Bahn geworfen werden. Tatsächlich könnte der Roman überall spielen - Adiga zeigt, einem beklemmenden Kammerspiel gleich, wie Macht und Gier korrumpieren und schließlich für Unfrieden und Hass sorgen, bis sich alles in einer menschlichen Katastrophe entlädt. Zielobjekt des Hasses wird ausgerechnet der hochangesehene alte Lehrer Masterji, dessen Frau vor kurzem gestorben ist und der die Kinder im Haus kostenlos unterrichtet. Masterji ist ein verständiger Mann, aber auch stur, vor allem, wenn er zu etwas gedrängt werden soll. Adiga lässt sich sehr viel Zeit, dieses Szenario zu entwickeln, gewährt dem Leser zunächst ausführliche Einblicke in das Leben der bunt zusammengewürfelten Bewohner der Vishram Society. Dadurch wirkt die Wandlung, die mit den zunächst freundlichen Bewohnern vor sich geht, noch bedrückender und unheilvoller. Der Leser ist stellenweise hin- und hergerissen zwischen Mitleid mit dem zunehmend isolierten und bedrohten Masterji, der bald völlig auf sich allein gestellt ist, und der Ungeduld gegenüber seinem beharrlichen Ablehnen des Angebots von Mr. Shah. Unweigerlich fragt der Leser sich auch, wie er sich wohl verhalten würde, wenn der Gewinn von umgerechnet 236.000 Euro am Nein eines einzigen Mannes scheiterte.

Obwohl "Letzter Mann im Turm" weniger die typisch indischen Verhaltensweisen als vielmehr schlicht und einfach die menschliche Natur beschreibt, zeigt Aravind Adiga natürlich auch wieder faszinierende, detailreiche Einblicke in die Metropole Mumbai und in die Mentalität seiner Landsleute. Wer das wahre Indien der Gegenwart kennen lernen will - und zwar fernab von Bollywood und Slumdog Millionaire -, der kommt an Adiga und seinen oft deprimierenden Wahrheiten nicht vorbei. "Letzter Mann im Turm" ist erneut ein großer, kluger Roman, der sich bis zum Ende immer weiter zuspitzt und schonungslos die menschliche Natur und das Herz Indiens offenlegt.

Eine Leseprobe gibt es hier auf der Verlags-Website.

Christina Liebeck



Hardcover | Erschienen: 26. August 2012 | ISBN: 978-3406621567 | Originaltitel: Last Man in Tower | Preis: 19,95 Euro | 515 Seiten | Sprache: Deutsch

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