Es ist verdammt schwer, einen guten Horror-Roman zu schreiben, der diese Bezeichnung auch verdient. Nur wenige gelungene Beispiele mögen als Beleg dienen, dass das Unterfangen nicht gänzlich unmöglich ist. Die Atmosphäre des Grauens und der Bedrohung aufrechtzuerhalten, ohne zwischendurch in eine Schilderung seichter Beziehungskisten oder ähnlichem abzurutschen, ist dabei die schwerste Aufgabe, der sich ein Horror-Roman zu stellen hat. Es gelang Stephen King nur einmal ("The Shining") und Graham Masterton schaffte es mit "Die Opferung. Auch Eddie M. Angerhubers Roman "Das Verborgene" kann man jetzt zur Reihe der gelungenen Horror-Romane zählen.

Die Autorin schildert vordergründig die Geschichte eines Szenetreffs in einer Stadt. In einem ehemaligen Schuhgeschäft, das in ein paar Monaten abgerissen werden soll, richtet ein Mäzen einen Treffpunkt für Nachtschwärmer ein - "Das Gummiaquarium". Es sind besonders die Künstler und Intelektuellen, welche sich durch das Improvisorium angezogen fühlen: alte Sofas, betagte Lautsprecherboxen und unbekannte Künstlerarrangements in den Ecken. Die Luft ist jeden Abend geschwängert von Zigaretten- und Haschischrauch. Die Getränke nimmt man aus Pappbechern zu sich.

In diesem Szenetreff auf Zeit gibt es jedoch nicht nur Musik und Getränke. Jeden Mittwoch liest ein stadtbekannter Bettler in einem Kellerraum, den man nur über eine Falltür betreten kann. Seine Rezitationen eigener Werke sind in höchstem Maße hypnotisch wie auch verstörend. Sie scheinen Worte aus einer anderen Realität zu sein...

Hinein in dieses wirbelnde Chaos tritt Suse, die Erzählerin des Romans. Sie ist fasziniert von dem Lokal und lernt schnell eine Gleichgesinnte kennen - Lina. Die beiden Frauen erleben inmitten der Nachtschwärmer eine aberwitzige Achterbahnfahrt, welche sie an den Rand unserer Wirklichkeit führt...und sogar darüber hinaus! Denn der Bettler scheint mehr im Sinn zu haben, als nur Lesungen zu halten - seine Worte zeigen nur zu bald Wirkung und das unerforschliche Grauen drängt sich in das Leben von Suse. Doch welches Ziel verfolgt es? Geht es nur um ein grausames Spiel mit der Protagonistin, oder steckt mehr dahinter?

Eddie M. Angerhuber wagt sich mit dem Roman "Das Verborgene" zum ersten Mal auf das Feld der Literaturgattung Roman. Zuvor hat sie ihr starkes visionäres Talent schon in erfolgreichen Kurzgeschichtensammlungen präsentiert (z.B. in der Goblin Press, oder bei der Edition Metzengerstein). Wiederum besticht ihre Sprache durch ein genaues Timing und einfallreiche Darstellung von Seelenzuständen, welche den aufmerksamen Leser auf eine Tour de Force in die Abgründe des Verstandes mitnehmen. Aber seien Sie gewarnt - wer leichte Kost will, der sollte bei Fast Food a la Stephen King bleiben! Doch dann entgeht ihm einer der interessantesten und auch sprachlich auf solider Basis geschriebenen Romane einer deutschen Autorin, abseits des Mainstreams!