"Kinder fordern uns heraus", so heißt die Ratgeber-Reihe von Klett-Cotta, und Dyskalkulie ist wirklich eine harte Herausforderung. Dyskalkulie, auch Rechenschwäche, ist eine Teilleistungsschwäche, die der Legasthenie im sprachlichen Bereich entspricht. Hendrik Simon versucht einen Ratgeber sowohl für Eltern als auch für Lehrer zu schreiben, bleibt deswegen ein bisschen zwischen den Stühlen sitzen, schafft aber eine Menge interessanter Fakten zusammen, stößt auf wichtige Symptome und erklärt die Denkweise der betroffenen Kinder.

Das Buch ist in neun Kapitel aufgeteilt, mit drei Anfangskapiteln, die Einleitung und Einführung sind und erst mal das allgemeine Thema vorstellen. Dann geht es im vierten und längsten Kapitel um die Symptome, um die Frage, wie sich Dyskalkulie zeigt. Die typischen Fehler werden aufgezählt, allerdings nur rudimentär erklärt. Die Erklärungen werden später nachgereicht.

Dann kommt ein groß angelegter Test, der das fünfte Kapitel füllt. Es gibt gleich eine ganze Reihe von möglichen Übungen, an deren Ergebnissen man mit dem Buch in der Hand nachprüfen kann, ob die Reaktionen, die das getestete Kind zeigt, auf Dyskalkulie verweisen. Das ist alles sehr kleinschrittig und ausführlich erklärt.

Das sechste Kapitel kommt ein bisschen spät. Es erklärt die Sicht der Kinder auf die Mathematik, zeigt sogar mit einer nicht wirklich einfachen Übung, wie für Kinder, die kein Kardinalzahlverständnis haben - das bedeutet, sie können Zahlen und Mengen nicht so richtig miteinander verbinden - die Mathematik wirken muss.

Im siebten Kapitel geht es um die Fördermöglichkeiten - wie kann ich einem betroffenen Kind weiterhelfen? Auch ein Kapitel, auf das der Leser vermutlich im Normalfall schon lange wartet, oder zu dem er vorblättert. Hier werden Übungen und Spiele präsentiert, mit denen Eltern etwas machen können, mit denen Lehrer etwas machen können, und auch zum Thema "Wie suche ich einen geeigneten Therapeuten aus?" gibt es wichtige Hinweise. Wer allerdings glaubt, hier Patentrezepte zu finden, der muss - so ist das bei dem Thema nun mal - enttäuscht werden.

Das achte Kapitel informiert über rechtliche Angelegenheiten, über Fördermöglichkeiten, das neunte ist ein ausführliches Glossar, das auch für fachunkundige Leser keine Fragen offen lässt.

Ein wirklich interessantes Buch, das allerdings handwerklich nicht so richtig überzeugen kann. Obwohl man dem Autoren durchaus seine Kompetenz anmerkt, versteht er es nicht so recht, seine Erkenntnisse auch klar zu machen. Nicht nur, dass er trocken und ein Stück weit langweilig schreibt, er könnte auch mehr auf den Punkt schreiben, bleibt einfach uneindeutig. Dazu kommt die Struktur, die auch nicht optimal ist. Ellenlang werden mögliche Fehler aufgelistet, ähnlich langwierig steht der Test da, und dann erst geht es darum, wie die Dyskalkulie eigentlich funktioniert, beziehungsweise, was alles nicht funktioniert bei den Kindern, die dieses Problem haben. Und die Tipps, was man daran machen kann, die kommen noch später. Da hat Hendrik Simon zwar eine sehr klare, aber auch eine ermüdende und leserunfreundliche Struktur geschaffen.

Was Simon sagt, und das ist sicherlich das Wichtigste, hat Hand und Fuß, besonders die Übung zum Nachvollziehen der Dyskalkulie ist sehr wichtig, damit sich auch Lehrer und Eltern vorstellen können, was sie den Schülern abverlangen. Test und Fehleraufzählung mag Pädagogen sehr langwierig beschrieben erscheinen, aber die Ausführlichkeit ist natürlich für Laien gut, die bei ihren Kindern Dyskalkulie vermuten.

Ein Buch nur für Eltern oder nur für Lehrer wäre sicherlich die bessere Lösung gewesen, ein bisschen klarere Sprache hätte das Buch auch besser gemacht. Natürlich kann man vermuten, dass Betroffene sich auch gern durch dieses Buch durchkämpfen, speziell weil da auch viele Sachen darin stehen, die sehr plausibel klingen. Aber etwas mehr Konkretes hätte man sich doch auch gewünscht.