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Die Nation ist in Deutschland wieder aktueller denn je. Insbesondere zu Fußball-Großereignissen werden Deutschlandflaggen gehisst und Millionen von Menschen bemalen sich schwarz-rot-gold. Die Nation, in Deutschland lange Zeit diskreditiert, ist zurück. So wundert es nicht, wenn auch Kultur- und Geisteswissenschaftler sich wieder diesem Phänomen zuwenden, es analysieren und kritisieren.
Katharina Grabbe, Sigrid Köhler und Martina Wagner-Egelhaaf haben in ihrem Sammelband "Das Imaginäre der Nation" über ein Dutzend Beiträge versammelt, die sich mit den verschiedensten Gegenständen aus Film und Literatur auseinandersetzen und ihrer jeweiligen Bedeutung für die deutsche und auch für andere Nationen. Martina Wagner-Egelhaaf selbst analysiert beispielsweise die Rezeptionsgeschichte Hermanns, Friederike Krippner setzt sich mit dem deutschen Luther-Diskurs im 19. Jahrhundert auseinander.
Neben historischen Gegenständen spielen auch sehr aktuelle Beispiele eine große Rolle in dem Band. Kerstin Wilhelms untersucht die nationale Identifikation der Musik von Rammstein und Stephan Berghaus zieht Schlüsse aus der Diskussion um die Begnadigung des RAF-Mitglied Christian Klar.
Alle Beiträge eint nicht nur der jeweilige Bezug der Untersuchung zum Begriff der Nation, sondern auch die methodische Perspektive. Fast alle greifen auf die Konzeptionen und Gedanken von Slavoj Zizek zurück, dessen kritisches Verständnis des Phänomens Nation die nationale Identität vor allem als eine kollektive Mangelerscheinung begreift. Die Nation verspricht konkrete Befriedigungen, doch kann sie als abstraktes Ding nie einlösen. Alle AutorInnen stehen damit automatisch der Nation kritisch gegenüber.
Im Anhang des Buches finden sich einige Angaben zu den AutorInnen.
"Das Imaginäre der Nation" ist keine leichte Kost, eher ein Buch für Menschen, die durch starkes Interesse, durch Studium oder durch ihre Arbeit im Umgang mit geschichtlichen, philosophischen und politikwissenschaftlichen Kategorien geübt sind. Noch dazu ist es, wenn man so will, ein Versuch die Philosophie Slavoj Zizeks beispielhaft anzuwenden. Fast jeder Beitrag führt die Begrifflichkeiten Zizeks nochmal für seine Zwecke ein, was auch ein paar Redundanzen im gesamten Band verursacht.
Thematisch sind die Beiträge größtenteils sehr interessant wie auch aktuell. Die AutorInnen zeigen sehr erfolgreich, wie fruchtbar Zizeks Konzeptionen zur Analyse nicht nur für historischer Diskurse, sondern auch für aktuelle Phänomene ist. Anna Thiemanns Beitrag ist beispielsweise eine spannende Analyse des US-amerikanischen Nationalismus nach dem 11.9.. Anhand der Texte von Zizek und eines Romans von Moshin Hamid erläutert sie, inwiefern die Reaktion der USA nach den Anschlägen auf das World Trade Center rückwärtsgewandt war, die nationale Einheit beschwörend gegen einen äußeren Feind. Dabei kommt aber immer wieder die Zerrissenheit der US-Gesellschaft zum Vorschein.
Wer gute und kritische Beiträge zum aktuellen Nationalismus, der auch in Deutschland in einem neuen Gewandt wieder Einzug gefunden hat, sucht, dürfte mit diesem Band einige Anregungen zum Nachdenken und Weiterlesen finden. Noch dazu ist das Buch eine - wenn auch punktuelle und wenig systematische - Einführung in die Konzeption von Slavoj Zizek. Die Aufsätze des Bandes sind allen Interessierten sehr zu empfehlen.
Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebsite.