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Bereits in die 55. Runde geht der World Press Photo Award mit dem Band für 2012, der die preisgekrönten Fotografien aus dem vergangenen Jahr 2011 im inzwischen 48. Jahrbuch versammelt. Beteiligt haben sich mehr als 5.000 Fotografen aus aller Welt, mehr als 100.000 Bilder wurden eingereicht. Für den Award ausgewählt wurden schließlich 161 Fotos, die der Sammelband in den Kategorien "Menschen in den Schlagzeilen", "Reportagen", "Harte Fakten", "Aktuelle Themen", "Alltagsleben", "Porträts", "Kunst und Kultur", "Natur" und "Sport" präsentiert.
Wie üblich ziert das Gewinnerfoto des World Press Photo Awards 2011 das Cover des Bildbandes aus dem Schweizer Benteli Verlag. Preisträger in der Kategorie "Menschen in den Schlagzeilen" ist der Fotograf Samuel Aranda - sein Beitrag zeigt eine vollkommen verschleierte jementische Mutter, die ihren erwachsenen Sohn in den Armen wiegt, nachdem er bei einer Demonstration mit Tränengas attackiert wurde. Das Titelfoto ist wesentlich subtiler als so manch anderer Beitrag, dennoch gerade durch den starken Kontrast der beiden fotografierten Menschen, ihre Intimität und die zärtliche und gleichzeitig anklagende Haltung sehr gewichtig.
Wie üblich decken auch die übrigen Blicke auf die Ereignisse des Jahres 2011 die ganze Palette von dramatisch über atemberaubend bis schockierend ab - was hat die Menschen bewegt, welche Themen haben Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bestimmt? Eindringliche Aufnahmen einer US-amerikanischen Familie, deren Haus im Zuge der Wirtschaftskrise zwangsgeräumt wird, reihen sich an Fotos von Japan nach dem Tsunami und der anschließenden Reaktor-Katastrophe von Fukushima. Der Betrachter erlebt noch einmal die Proteste gegen den ägyptischen Präsidenten Mubarak sowie die Kämpfe der Widerständler in Libyen - ein Foto der von Gewalt gezeichneten Leiche Gaddafis zieht einen drastischen Schlussstrich unter dieses Kapitel.
Beklemmend auch die Aufnahmen der Insel Utoya, wo der Norweger Anders Behring Breivik am 22. Juli 2011 69 meist sehr junge Menschen tötete, oder die schonungslose Dokumentation einer öffentlichen Exekution im Iran. Anders als die Bilder, die man in den Nachrichten präsentiert bekommt, sind die hier dargestellten Fotos nicht weichgezeichnet, sie blenden keine Leichen aus, sondern halten ganz im Gegenteil bewusst drauf. Die Welt bot offensichtlich auch im Jahr 2011 mehr als genug Stoff für die Fotojournalisten, um Krieg, Gewalt, Armut, Leid und Terror zu dokumentieren. Die Fotos in diesem Bildband zeigen nur einen verschwindend geringen Ausschnitt all dieser Dinge und rütteln den Betrachter gerade deshalb enorm auf. Manche Fotografien sind zwar kleinformatig abgedruckt, aber dennoch am Rande des Erträglichen, etwa das Foto eines Polizisten im mexikanischen Acapulco, der auf die gut erkennbaren Leichenteile eines Mannes - zwei Arme, ein Kopf - herunterschaut. Andere Fotos dokumentieren schonungslos den Raubbau des Menschen an der Natur: Ein von Wilderern verstümmeltes Nashorn streift durchs Gebüsch, einem Hammerhai werden bei lebendigem Leib die Flossen abgeschnitten.
Natürlich werden beim World Press Photo Award nicht nur Impressionen von Leid und Zerstörung eingereicht, dennoch ist die Auswahl für den Band 2012 dahingehend relativ dominant; schöne, friedliche oder schlicht neutrale Szenen sind vorhanden, aber gemessen an den anderen Bilddokumenten eher rar gesät. Nach eigener Aussage will die Jury des World Press Photo Awards "mit Fotojournalismus von hoher Qualität zum Verstehen der Welt anregen". Dies ist gelungen - auf gut 150 Seiten ist eine beeindruckende Auswahl von qualitativ hochwertigen fotojournalistischen Werken versammelt und damit ein Querschnitt durch die weltweite Nachrichtenberichterstattung. In seiner Vielfalt ist es ein teils recht deprimierender Eindruck unserer Welt, deren schöne, friedliche Seiten man lange suchen muss, nimmt man diesen Sammelband zur Hand. Die Druckqualität ist erneut sehr gut, allerdings würden die Bilder in einem Hardcover eventuell noch besser zur Geltung kommen.
Mehr Informationen und eine Auswahl der Bilder von 2012 und den vergangenen Jahren gibt es auch unter www.worldpressphoto.org