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 Das kleine Gespenst

Autoren: Otfried Preußler
Regisseure: Curt Linda
Verlag: Universum Film

Cover
Gesamt ++---
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Extras
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Das kleine Gespenst sitzt wie in jeder Nacht bei seiner besten Freundin, der alten und weisen Eule. Sein sehnlichster Wunsch erfüllt die Eule mit Schrecken: Wie kann ein Nachtwesen sich nur wünschen, den Tag zu erleben? Die Eule berichtet dem kleinen Gespenst von ihrem schrecklichen Flug im hellen Tageslicht und rät dringend von diesem Wunsch ab. Doch verstärkt der Bericht der Eule die Sehnsucht des Gespenstes noch. Einmal die Sonne sehen, einmal erleben, was Farben sind, einmal den Himmel sehen, wenn er nicht von Sternen und dem Mond heimgesucht wird.
Doch dieser Wunsch kann nicht in Erfüllung gehen, denn was auch immer das kleine Gespenst anstellt, es ist unmöglich für es, den Tag zu erleben. Es wacht auf, wenn die Turmuhr in der Stadt Mitternacht schlägt und schläft nach der Geisterstunde unweigerlich wieder ein, denn es wird so furchtbar müde, dass es die Augen einfach nicht aufhalten kann.
Doch eines Tages - das Gespenst wacht gähnend in seiner Truhe auf und öffnet sie mit einem kurzen Rütteln seines Schlüsselbundes, der jede Tür und jedes verschlossene Ding zu öffnen vermag - ist es völlig starr vor Staunen. Das Zimmer ist grässlich hell, das Licht des Mondes ist grell und schmerzt in den Augen und die Welt ringsumher sieht völlig anders aus. Nichts ist, wie es gestern noch war, alle Dinge haben ihr Aussehen verändert, sogar Himmel und Mond sind von gänzlich anderer Gestalt. Da dämmert es dem kleinen Gespenst: Das ist der Tag, das Sonnenlicht, der blaue Himmel, die Welt im Licht der Sonne!
Aber wie konnte das nur passieren? Wie ist das möglich? Wer ist daran schuld? Das kleine Gespenst beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen und schwebt in Richtung Eulenburg, dem kleinen Städtchen am Fuße des Burgbergs.

Ein wundervolles Buch, veröffentlicht 1966, ist endlich verfilmt worden. Curt Linda ("die Konferenz der Tiere") hat sich dieser schwierigen Aufgabe Anfang 1992 gestellt und es mit einem Zeichentrickfilm versucht. Nichts ist aber schwieriger als einen Bestseller, der fantasievoll und unnachahmlich amüsant die Geschichte eines kleinen Gespenstes erzählt, das plötzlich am Tage erwacht, zu verfilmen. Und das Ergebnis zeigt auch sehr deutlich, dass es unmöglich zu sein scheint.
Vom Charme der Vorlage bleibt nichts übrig. Vom leisen Humor der Geschichte bleiben Klamauk und Lärm. Aus dem ruhigen Gespenst in einer stillen Welt wird ein lärmendes Werk voller "Action" und Strass, Unruhe und Hektik. Die Geschichte ist hundsmiserabel gezeichnet - absolut grauenhaft sehen die Menschen aus. Einzig das Gespenst und die Häuser sind ganz nett anzusehen. Am schlimmsten aber ist die Animation. Sämtliche Bewegungen sehen aus wie mit zu wenigen Bildern verfilmt. Ruckelnd und ungelenk, hölzern und unnatürlich geraten alle Bewegungen. Zahlreiche Wiederholungen, eine grauenhafte Musik und schreckliche Stimmen vollenden das Bild eines missratenen Films.
Die Geschichte wird verkürzt, simpel zusammengeschustert und dramaturgisch ohne sichtbares Konzept umgeordnet. Doch nach dieser vernichtenden Einschätzung bleibt für mich eine Frage im Raum stehen, die mir sehr wichtig scheint:
Warum ist es der Lieblingsfilm meiner Tochter?

Diese Frage ist schon viel schwieriger zu beantworten als die Kritik eines Erwachsenen, der Kriterien an den Film anlegt - die meiner neunjährigen Tochter naturgemäß fremd sind - zu formulieren. Doch um dem Film gerecht zu werden, will ich es versuchen.

Zunächst entfällt die Kritik an den Stimmen. Kinder nehmen die Stimmen der Figuren als gegeben und unabänderlich hin. Das Gespenst und die Kinder reden eben so.
Die simplen und hässlichen Menschen sind einfach und kindgerecht. Sie werden schlicht akzeptiert. Menschen die so blöd sind, dass sie das kleine Gespenst nicht mögen, sogar Angst vor ihm haben und es verfolgen, sehen halt so aus wie sie sind: blöd.
Die Geschichte ist zwar simpel und verglichen mit dem Buch eine Enttäuschung, aber für sich genommen eben einfach, schlicht, leicht zu verstehen und dem Kinde gemäß.
Die Musik setzt aus Sicht des Kindes Akzente, strukturiert die Geschichte in kleine Episoden und entspricht seinem Bedürfnis, wenn es etwas mitzuteilen hat, dies laut und ohne Rücksicht auf Verluste zu tun. Die Musik gefällt schlicht als deutliche Untermalung des Geschehens.
Der Humor kommt dem Kind ebenfalls entgegen. Es braucht keine Anspielungen und Ironie, sondern lieber Klamauk, Slapstick und derben Witz.
Der Zeichentrickstil wird nicht als schlecht oder ungeeignet bemerkt - solange das Kind nicht massenhaft "moderne" computergenerierte Animationsfilme geschaut hat und Vergleiche ziehen kann. Ohne Erfahrung werden die Bilder als animierte Comiczeichnungen gesehen und in der Fantasie des Kindes zu einem realen und korrekten Geschehen ausgebaut.
Im Vergleich zur Kritik eines Erwachsenen werden die Aspekte, die zerlegt und analysiert werden können, mit Kinderaugen nicht wahrgenommen. Ein Kind sieht eine "reale" Welt, lebt mit den Figuren mit und generiert sich einen eigenen Traum aus dem gesehenen Film.

Der Film wird also - mit den Augen des Kindes gesehen - zu einem netten Abenteuer mit einem noch netteren Hauptdarsteller, dem liebenswerten kleinen Gespenst. Die Vorlage von Otfried Preussler ist so gut, dass sie auch diesen Film nahezu unbeschadet übersteht.
Als Pädagoge kann ich nur festhalten: Der Film schadet dem Kind gewiss nicht, er ist ganz nett und wird dem Kind gefallen. Aber schlecht ist er dennoch. Er nimmt eine exzellente Vorlage und macht daraus einen albernen, ziemlich dämlichen Klamauk. Das ist sehr schade, denn es hätte ein Meisterwerk werden können.

Die Extras:
Szenenvergleich: Scribble versus Originalszene, erste Ansätze für das Gespenst und einen Bericht über den Regisseur Curt Linda verdienen die Bezeichnung "Extras" nicht.

Stefan Erlemann



DVD | Erschienen: 1. April 2003 | Laufzeit: 77 Minuten | Preis: 15,99 Euro

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