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Antonina, Mutter eines unehelichen Kindes, ist von ihrem Dorf ins Leningrad der frühen 60er-Jahre gezogen. Sie arbeitet in einer Fabrik und hat nur eine Sorge: dass die staatlichen Stellen entdecken könnten, dass ihre Tochter stumm ist. Nicht etwa taubstumm; die kleine Susanna versteht alles, was man ihr sagt, und sie kann sogar schon lesen, obwohl sie erst fünf Jahre alt ist. Aber wenn ihr Makel offensichtlich würde, gäbe man sie in ein Kinderheim, und sie hätte keine Chance mehr auf eine glückliche Zukunft.
Die ledige Mutter hat ein Zimmer in einer Wohnung erhalten, in der bereits drei alte, zänkische Frauen leben. Diese lassen Antonina nach deren Erwerbsarbeit noch die ganze Hausarbeit erledigen und sind auch auf deren Einkünfte angewiesen, aber sie kümmern sich tagsüber um Susanna, sodass die Kleine nicht in den Kindergarten muss und ihre Behinderung verborgen bleibt.
Doch dann wird Antonina todkrank. Und es zeigt sich das große Herz der drei Babuschki, die keine List und kein Opfer scheuen, um ihre kleine Susanna vor dem Zugriff der Staatsmacht zu bewahren – selbst, als die junge Mutter stirbt.
Im Anhang findet man Erläuterungen zu historischen und kulturellen Details ebenso wie zu sprachlichen Besonderheiten und deren Übersetzung.
Diese Geschichte erzählt anrührend, stimmungsvoll und zugleich auch mit einer ordentlichen Prise Satire vom Zusammenschluss ganz ungewöhnlicher Frauen aus unterschiedlichen Generationen, die sich zusammentun, um der Diktatur und dem keine "Andersartigen" duldenden Kollektiv zu trotzen. Es zeigt sich, dass die drei Babuschki in ihrem jeweiligen Leben Nonkonformistinnen waren, die harte Schicksalsschläge erleiden mussten. Der kleinen Susanna ersparen sie dies und ermöglichen ihr, die später plötzlich zu sprechen lernt, eine von Erfolg begleitete Zukunft. Von Tyranninnen wandeln sich die alten Frauen zu festen Verbündeten und nutzen genau das, was der Titel benennt: die stille Macht der Frauen, jene unausgesprochene Solidarität, die sich erst in Ausnahmesituationen zeigt.
Während der Stil der russischen Erfolgsautorin zwar eigenwillig, aber doch angenehm zu lesen ist, fällt es dem Leser mitunter schwer, mit dem häufigen und bisweilen verwirrenden Wechsel der Erzählperspektive zwischen verschiedenen Personen mitzuhalten – trotz Kapitelüberschriften und Kursivdruck, die ein wenig Hilfestellung leisten. Es lohnt sich jedoch, sich dieser Herausforderung zu stellen und in eine außergewöhnliche Welt einzutauchen mit ihren Zwängen, mit Missgunst, blinder Pflichterfüllung, Denunzierung; aber auch stillschweigendem Zusammenhalt, selbstverständlicher Selbstaufopferung und trotzigem Mut sowie der Kraft des christlich-orthodoxen Glaubens, in dem die Babuschki noch eng verwurzelt sind.
Eingebettet in die Erzählung findet man eine Reihe alter russischer Märchen, die einen Hauch von Mystik und Folklore einbringen.
Ein starker Roman, der auf berührende und dennoch auch demaskierende Weise ein Stück Zeitgeschichte erzählt.