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Wenn jemand eine Verschnaufpause von seinem stressigen Berufsleben benötigt, dann ist es Alto Pahl, der erfolgreiche Ex-Sternekoch eines eigenen, gutgehenden Restaurants in Stuttgart. Wie in diesem Berufszweig üblich, steht er die meisten Stunden aller Tage auch trotz fähiger Mitarbeiter selbst in der Küche. Und wie so viele andere Selbständige teilt er auch deren Schicksal - er arbeitet selbst und ständig. Für sein quasi non-existentes Privatleben sieht es dementsprechend düster aus. Bis zu dem Zeitpunkt jedenfalls, als ein einschneidendes Ereignis, der plötzliche Tod eines engen Freundes, ihn dazu veranlasst, sich eine mehr als verdiente Auszeit zu genehmigen, die er seinen Mitarbeitern und Freunden mit einer Nachricht à la Kerkeling mitteilt: „Ich bin dann mal weg!“
Mit seinem Motorrad fährt er Richtung Süden und landet schließlich in der Provinz Arezzo in der Toskana.
Auch Hellena Rothermund ist dorthin gefahren, um den 40. Geburtstag ihres Bruders Robert zu feiern. Die Fotografin hat vormals für Fotoreportagen eindrucksvolle Orte rund um die Welt bereist, war immer dort, wo gerade ein großes weltliches oder religiöses Fest stattfand. Heute jedoch fotografiert sie ausschließlich Motive aus Stein. Ihr eng auf den Fersen ist ein ehemaliger Kollege namens Trevor, der sich aus verschmähter Liebe zu einem hartnäckigen Stalker entwickelt hat.
Die beiden jeweils aus anderen Gründen Flüchtenden schlagen ihr Quartier in liebevoll eingerichteten Gästehäusern der Fattoria La Vialla auf und brechen von dort aus zunächst jeder für sich, später aber zusammen zu sehenswürdigen Orten in der Umgebung auf. Sehr schnell entwickelt sich aus der gemeinsam verbrachten Zeit eine sanfte Anziehung, die nicht zuletzt auf den ähnlichen, im Wandel befindlichen Lebenssituationen beider beruht. Am Ende jedoch scheinen sowohl Hellena als auch Alto von den Dingen, die sie vermeintlich zu Hause zurückgelassen haben, wieder eingeholt zu werden.
Mit dem Geschmack von Vin Santo und Cantucci auf der Zunge beginnt die Reise in
Die verliebten Zypressen durch eine gelungene Melange aus Reiseführer, Kochbuch und Kriminalroman. Nach ihrem Buch
Cappuccino zu dritt ist das Reiseziel des Schriftstellerehepaares Marita und Jürgen Alberts erneut die Toskana, diesmal die unbekanntere Provinz Arezzo. Durch die Linse der Fotografin wird dabei die malerische Landschaft dort ganz nebenbei in Szene gesetzt. Gemeinsam mit den Hauptfiguren besucht der Leser vor allem imposante steinerne Objekte wie die alte Brücke
Ponte Buriano und mittelalterliche Kirchen und Kapellen wie die
Pieve di Gropina und erhält dazu fachkundige Informationen zu diesen Sehenswürdigkeiten der Gegend. Dabei geht der Roman durchaus auch als Kulturführer durch. So lernen wir beispielsweise den Renaissance-Maler Piero della Francesca näher kennen, der für seine Fresken und Bilder wie die
Heilige Maria Magdalena oder
Die Auferstehung Christi bekannt ist und dessen Werke unter anderem in der Stadt Arezzo, in Monterchi oder in Sansepolcro, dem Geburtsort della Francescas, zu sehen sind.
Der Romantitel benennt eine besondere Form der für diese Region so typischen Bäume, die leider auf dem Buchcover nicht klar zu erkennen ist. Mit
i cipressi innamorati sind zwei Zypressenbäume gemeint, die sich zu umarmen scheinen und in einer einzigen Krone münden, eine symbolhafte Vorausschau auf die zarte Liebesgeschichte im Roman.
Was die Figurenkonstellation betrifft, so wirken gerade die beiden Protagonisten Alto Pahl und Hellena Rothermund durchaus echt und glaubwürdig. Bei anderen Figuren der Geschichte ist die Tiefe leider nicht ganz so intensiv ausgeprägt. Mit dem Antagonisten Trevor beispielsweise wird kein starker Gegenspieler eingeführt. Sein Charakter bleibt ein wenig obskur und flach, was besonders am Ende deutlich wird, als die Nebenhandlung mit der Stalkergeschichte ein wenig im Sande verläuft, anstatt zu einem schlüssigen Ende zu führen. Überhaupt wirkt das Ende des Romans plötzlich etwas überstürzt für die zuvor sehr ausführlich erzählte und sorgfältig entwickelte Geschichte.
Die verliebten Zypressen ist ein abwechslungs- und vor allem kenntnisreich geschriebener Roman, dessen eigentliche Hauptfigur nicht die beiden Protagonisten sind, sondern die Toskana selbst. Wenn auch nicht der ganz große Reiseroman, so ist das Buch dennoch ein guter Begleiter für einen mit allen Sinnen genossenen und unterhaltsamen Leseausflug. So begegnet man schönen Ecken dieses unbekannteren Teils der Toskana, die man gern auf den Planungszettel möglicher zukünftiger Reiseziele setzt.