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Hameln, Ende des 13. Jahrhunderts: Während die Stadt von einer schrecklichen Rattenplage heimgesucht wird, leben die Bürger unbekümmert und ergötzen sich an öffentlichen Foltern und Demütigungen. Als die Plage jedoch Überhand zu nehmen droht, wird auch dem Stadtrat klar, dass eine Lösung gefunden werden muss. Da taucht ein seltsamer Fremder auf, der den Bürgern von Hameln verspricht, sie gegen einen exorbitanten Lohn von den Ratten zu befreien. Man beschließt, den fremden Spielmann gewähren zu lassen. Gemeinsam mit seinem seltsamen tierischen Gefährten macht sich dieser daran, die Ratten aus Hameln zu vertreiben. Als die Stadt ihm jedoch nach getaner Arbeit den versprochenen Lohn verweigert, nimmt der Rattenfänger grausame Rache …
Der französische Comickünstler André Houot nahm sich für sein 46-seitiges Comicepos eines alten deutschen Mythos an. Sein "Rattenfänger von Hameln" ist jedoch mehr als eine bloße Nacherzählung der Volkssage. Houot integriert in die Erzählung zum einen eine Liebesgeschichte zwischen zwei Stadtbewohnern und beleuchtet zudem das Verhältnis zweier unterschiedlicher Brüder. Und er zeichnet ein schonungsloses Bild einer mittelalterlichen Stadt, deren Bürger sich brutalen Vergnügungen, Folter und Hexenjagden hingeben. Diese Atmosphäre spiegelt sich auch in den teilweise schrecklichen Bildern wider: Rot- und Brauntöne dominieren die Koloration von Jocelyne Charrance, die einzelnen Panels sind recht detailreich. Allzu zartbesaitete Gemüter könnten an der einen oder anderen Szene Anstoß nehmen. Houot legt besonderen Wert auf das Mienenspiel der Protagonisten und der Nebenfiguren, die er realistisch, ausdrucksstark, aber auch hässlich, schmerzverzehrt und grausam in Szene setzt. Leider verwendet er nicht ebenso viel Mühe auf die Entwicklung runder Erzählstränge. Vieles wird nur angedeutet und wirkt etwas gehetzt.
Der Rattenfänger selbst ist ein zwielichtiges, mysteriöses Wesen, das durchaus die Teufelsfigur sein könnte, für den ihn Hamelns Bürger halten. Leider verschenkt Houot allerdings auch die Möglichkeit, dem Mythos um den Spielmann auf den Grund zu gehen. Statt sich auf ihn und seinen unbekannten Hintergrund und seine Agenda zu konzentrieren, beschäftigt der Künstler sich auf Hameln als Stadt. Die Erwartungen, die der (deutsche) Titel weckt, werden nur bedingt erfüllt. "Der Rattenfänger von Hameln" keine klassische Märchenadaption, sondern ein schauriges Sittengemälde des Mittelalters.
Eine Leseprobe findet man auf der Website des Ehapa-Verlags.