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Kaum eine historische Figur Europas ist wohl so bekannt wie Napoleon. Seine Erfolge und Siege haben eine Aura des Genies geschaffen, die bis heute anhält. Seine Niederlage wurde sprichwörtlich. Eine der bekanntesten Biographien dieses Mannes wurde vom französischen Historiker Georges Lefebvre geschrieben. Reclam hat die Übersetzung von Peter Schöttler nun in einer neuen Auflage zusammen mit einem Nachwort von Daniel Schönpflug herausgegeben.
Im Zentrum dieses Werkes steht zwar die Person Napoleons, aber es ist weniger eine Biographie als eine Epochendarstellung. Erzählt wird der Zeitraum zwischen Bonapartes Regierungsantritt und Waterloo. Als Vorgeschichte dient nicht die Kindheit oder Jugendzeit dieses "großen Mannes", sondern die Revolutionszeit. Lefebvre schreibt zwar sehr viel zu Napoleons Persönlichkeit und zieht sehr viele psychologische Faktoren heran, doch das alles ist eingebettet in ein großes politisches, militärisches und soziökonomisches Panorama seiner Zeit. Napoleon ist für ihn der Name dieser Zeit.
Die 612 Seiten sind in sechs Kapitel und einen Anhang gegliedert. Im ersten Teil werden die Bedingungen geschildert, unter denen Napoleon seine Regierung antrat. Kapitel zwei behandelt die kurze Phase des europäischen Friedens um 1800. Im dritten Abschnitt wird der erneute Ausbruch des Krieges bis hin zum Tilsiter Vertrag 1807 erzählt. Im vierten Teil geht es dann um die Eroberungszüge bis 1812. Die letzten beiden Kapitel beschäftigen sich schließlich mit den Jahren des Niedergangs zwischen 1812 und 1815.
Im Anhang sind eine Bibliographie sowie ein Personenregister abgedruckt. Außerdem findet sich dort das circa 15-seitige Nachwort von Daniel Schönpflug, in dem Lefebvres Text vor dem Hintergrund der neueren Forschung analysiert wird.
Georges Lefebvres "Napoleon" ist ein episches Geschichtswerk. Der recht lange Text erzählt in aller Ausführlichkeit die europäische Geschichte zwischen 1799 und 1815. Eine Unzahl von Akteuren an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten spielen eine Rolle. Lefebvre hat sich für diese Arbeit mit den Ereignisketten unzähliger Fürstenhäuser und Staaten zwischen Portugal und Persien beschäftigen müssen. Herausgekommen ist ein für den Laien fast unüberschaubares Panorama.
Es ist sehr sinnvoll, dass dem Text ein Personenregister beigefügt wurde angesichts der Fülle der auftretenden Personen, allerdings hilft dieses Register auch nur den Experten. Der Autor erwartet von seinen Lesern eine gewisse Vorbildung, wenn er Personen ohne jede Erläuterung auftreten lässt. Selbst Geschichtsstudenten dürften hin und wieder nachschlagen müssen, um den Überblick zu behalten.
Dennoch dürfte das Buch angesichts seiner ansonsten leichten Lesbarkeit auch für Fachfremde spannend sein. Lefebvre schreibt eine lebendige Geschichte, erläutert konsequent die Problemlagen und Dilemmas der Protagonisten, allen voran Napoleons, und vermittelt damit in dem meisten Fällen sehr überzeugend, wie es zu den Entscheidungen kam. Dabei hantiert der Autor auch sicher auf den verschiedensten Gebieten, ob Militärstrategie, Staatsführung, Diplomatie oder Wirtschaftspolitik. Stets wird verständlich, wie Zwänge auf der einen Ebene zu Handlungen auf der anderen führten.
Trotz der oft unüberschaubaren Anzahl der Akteure ist das Buch sowohl geschichtswissenschaftlich interessant als auch spannend geschrieben und daher allen Interessierten sehr zu empfehlen. Es macht sowohl eine ganze Epoche als auch die Persönlichkeit, die diese Epoche prägte wie keine andere, verständlich.
Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebsite.