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Wiegt eine heiße Tasse Kaffe mehr, als eine Tasse mit kaltem Kaffee? Oder wird ein Mensch immer schlanker, um so schneller er sich fortbewegt? Die Welt der kleinsten Teilchen widerspricht in vielen Dingen entscheidend dem "gesunden Menschenverstand". Atome verhalten sich sehr seltsam. Zumindest, wenn man der Physik Isaac Newtons und aller Wissenschaftler anhängt - und rein gefühlsmäßig tun wir das tagtäglich alle - bis zu dem Moment, in dem Albert Einstein diese Gesetzte für falsch hielt und sich Gedanken machte, wie sich seine Überlegungen zu einer neuen, modernen Physik gestalten ließen. Seine Formulierungen, zunächst zwar bemerkt aber nicht für bahnbrechend gehalten, erschütterten so nachhaltig die Physik, dass immer noch ein jeder Physiker auf Erden zu beben scheint.
Doch nicht mal Einstein ließ sich auf den aus seinen Überlegungen folgernden Schluss ein: Dass Gott "doch würfelt"! Einsteins Formulierung, Gott würde nicht würfeln, inspirierte Marcus Chown zu dem Titel dieses Buches. Denn, wie bereits eine einfache Glasscheibe, durch die Licht fällt, aber auch ein schwaches Spiegelbild sichtbar werden lässt, dokumentiert: Jedes einzelne Photon hat auf dem Weg durch die Scheibe die gleiche Chance, ohne aufgehalten zu werden, hindurch zutreten. Und doch "entscheiden" sich etwa fünf Prozent der Lichtquanten, die Scheibe nicht zu passieren, sondern zurück geworfen zu werden. Nichts und niemand, und wenn er noch so viele Informationen sammeln könnte, fände einen Grund für diese "Entscheidung" des einzelnen Photons, zurückzuprallen und damit, in Gemeinschaft vieler, für ein Spiegelbild zu sorgen. Rein theoretisch besteht zwar eine 95 prozentige Chance, unberührt zu passieren, aber jedem einzelnen Photon ist es völlig freigestellt - es ist reiner Zufall, ob es passiert oder zurückprallt!
Nach dem Blick ins Detail, dem Blick aufs Atom, kommt der Blick aufs Ganze, der Blick ins All, bis hinein in vierzehn Milliarden Jahre Geschichte, bis zum Urknall, dem inzwischen einzig gültigen Konzept der Entstehung des Universums.
Marcus Chown versucht nicht weniger, als die Physik, die seit Einstein gelehrt wird, zu verdeutlichen. Er nutzt sein immenses Wissen - er ist selbst Physiker - und seine journalistische Fähigkeit, zu abstrahieren, didaktisch korrekt zu vereinfachen und schriftstellerisch in fast perfekter Art und Weise in eine ansprechende Form zu bringen.
Seine Beispiele sind anschaulich und sachlich fehlerfrei. Sein Blick ist nicht eingeengt und indoktriniert. Er blickt über den Tellerrand des Physikers hinweg und betrachtet den Gegenstand, den er betrachten will, aus dem Blickwinkel des Rezipienten. Er versucht, das Ergebnis so darzustellen, dass es ein Laie und Nicht-Physiker versteht. Ihm gelingt es mühelos, sprachlich und ohne Fachworthuberei, zu erläutern, was uns die Physiker nicht, oder nur sehr schwer zu erklären vermögen: Warum verhalten sich sehr kleine Dinge ganz anders, wie wir es erwarten und warum sind die ganz großen Dinge seltsamerweise abhängig von den sehr kleinen Dingen und gehorchen denselben Gesetzen?
Chown gelingt es, ein trockenes und vermeintlich völlig unspannendes Gebiet wie die Physik - zumindest nach Meinung der schweigenden Mehrheit aller Schüler, Studenten und Mitmenschen -, nicht nur sauber und korrekt zu vermitteln, sondern spannend zu vermitteln, interessant zu erläutern und in eine Form zu gießen, die jeder verstehen kann.
Zumindest fast jeder, denn ein wenig Mühe macht das Lesen schon, ein paar Formeln muss man schon über sich ergehen lassen und Konzentration erfordert sein Buch ganz gewiss auch. Einfach wie einen Roman liest sich dieses zweihundert Seiten starke Buch nicht. Es entschädigt aber über Gebühr. Man lernt, was man noch nie verstanden hat und man weiß nach der Lektüre endlich über einige Dinge Bescheid, die zu Wissen mir zumindest ein inneres Anliegen waren und schwerlich über physikalische Fachliteratur zu leisten ist. Zumindest, wenn man wie ich, von Physik und Formeln eigentlich fast nichts versteht und auch nicht verstehen will. Doch die Zusammenhänge nachvollziehbar erklärt zu bekommen, spannend serviert und in ertragbaren Dosen verpackt, ist eine wahre Herkulesaufgabe gewesen: Marcus Chown hat sie geleistet und in meinen Augen mit Bravour!
Bis auf das hässliche Titelbild und die gelegentlichen Hindernisse in Form einiger für mich etwas zu komplexen Erläuterungen - eingedenk der Tatsache, dass ich wenig Ahnung von der Materie habe - und des etwas unstrukturierten Inhaltes, ein wirklich empfehlenswertes Buch. Sie werden sich bestens unterhalten und sogar etwas lernen - und sei es auch nur, dass eine heiße Tasse Kaffee tatsächlich schwerer ist, als eine kalte!