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Das alte Ägypten ist vermutlich die historische Hochkultur, die uns heutige Menschen am meisten fasziniert, und mit einer Dauer von über dreitausend Jahren mit etlichen Höhen und Tiefen überdauerte es viele andere, bis der endgültige Niedergang erfolgte.
Toby Wilkinson, der Verfasser des hier besprochenen Buchs, lehrt an der Universität von Cambridge und genießt als Ägyptologe internationales Ansehen. Er stellt die komplexe Geschichte des Pharaonenreichs auf 826 Seiten dar, wovon der sehr nützliche Anhang rund 150 Seiten umfasst, und widmet sich ihr nicht nur unter rein archäologischen und historischen, sondern auch kulturellen und nicht zuletzt soziologischen Gesichtspunkten.
In fünf Abschnitten präsentiert Wilkinson das alte Ägypten:
• Teil I: Göttliches Recht; 5000 bis 2175 v. Chr.
• Teil II: Das Ende der Unschuld; 2175 bis 1541 v. Chr.
• Teil III: Macht und Ruhm; 1541 bis 1322 v. Chr.
• Teil IV: Militärische Stärke; 1322 bis 1069 v. Chr.
• Teil V: Veränderung und Untergang; 1069 bis 30 v. Chr.
Umrissen werden dabei auch die prähistorischen Anfänge, primär aber setzt Wilkinson beim ersten nachgewiesenen Pharao Narmer an, der bereits entscheidende Impulse für das Gottkönigtum und den totalitären Staat gab, die für das alte Ägypten charakteristisch sind.
Je nach Bedeutung erfährt der Leser ausführlicher oder in gestraffter Form von den Entwicklungen während der verschiedenen Abschnitte der ägyptischen Geschichte. Sehr klar zeigt sich hier eine Art Sinuskurve, wie sie wohl alle Kulturen durchmachten: goldene Zeiten zumindest in puncto Ausdehnung der Grenzen und Macht, Übergänge und gewaltige Krisen. Welche einzelnen Herrscherpersönlichkeiten für Höhen und Tiefen verantwortlich zeichnen, wer nur mühsam erhielt, was die Vorgänger geschaffen hatten, wer innovativ dachte – im Rahmen der Möglichkeiten des „Systems“ – und wer die Königsmacht nutzte, um lediglich ein gutes Leben zu führen; und zu welchen Augenblicken sich ganz schlicht das Glück einschaltete: auch wenn der Leser mit einer Fülle an Königsnamen, Ortsbezeichnungen und Dynastien zu kämpfen hat, so ergibt sich doch eine klare Linie, und das will bei einem Zeitraum von über dreitausend Jahren etwas heißen.
Sozialkritisch erläutert der Autor zu gegebener Zeit stets, welche Auswirkungen Prunk- und allgemeine Geltungssucht sowohl der Pharaonen selbst als auch ihrer Höflinge, ein unstillbarer Hunger nach Macht und Göttlichkeit sowie das ägyptische „System“ an sich auf die eigentliche Bevölkerung hatten, überwiegend Bauern und kleine Handwerker. Dies wird bekanntlich gern übersehen, wenn Kulturinteressierte und Historiker die Hinterlassenschaften der Pharaonen und ihrer hohen Beamten untersuchen. Insofern bildet das Buch eine spannungsgeladene Synopse aus geschichtlicher, kultur- und kunsthistorischer und soziologischer Betrachtung, wie sie bislang fehlte.
Überhaupt präsentiert sich das Werk als sehr umfassend. Dennoch oder vielleicht auch gerade deshalb lässt es sich sehr angenehm, geradezu fesselnd lesen und wird nicht „lang“, was bei diesem Umfang überrascht. Toby Wilkinson beweist sich nicht nur als ein versierter Ägyptologe, sondern auch als begabter Erzähler – eine seltene Kombination.
Das Buch ist üppig illustriert: Nebst Kartenmaterial, das die geografische und politische Situation nach allen Brüchen darstellt, und vielen textnah begleitenden Fotos findet der Leser nicht weniger als drei Blöcke mit Farbfotos. Alle Illustrationen wurden sorgfältig ausgewählt und veranschaulichen teils die Textinhalte, zum anderen liefern sie einen beachtlichen Querschnitt durch die ägyptische Kunst und Kultur im Verlauf der Jahrhunderte und Jahrtausende.
Jedem am alten Ägypten und generell an Geschichte Interessierten ist dieses Buch sehr zu empfehlen; der Leser wird nach der Lektüre das alte Ägypten mit neuen Augen sehen und es vor allem ganzheitlich begreifen.
Eine ausführliche Leseprobe wird auf der Verlagsseite zum Buch angeboten.