Gesamt |
|
Anspruch | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Das Interesse an der Türkei nimmt stetig zu. Der ewige Aspirant einer EU-Mitgliedschaft, der zwischen Europa und dem nahen Osten liegt, gehört zu den wirtschaftlichen Aufsteigern der Gegenwart und nimmt ein zunehmend höheres Gewicht in der Staatengemeinschaft ein. Die Geschichte dieses Landes rückt damit automatisch auch in den Fokus des Interesses.
Cengiz Günay hat die Geschichte der Türkei in einem knapp 400-seitigen Buch zusammengefasst. In fünf Kapiteln erzählt der Autor vom osmanischen Reich bis fast in die Gegenwart eine Geschichte der Modernisierung von oben.
Die ersten beiden Kapitel behandeln noch die Zeit des osmanischen Reiches. Zunächst werden die Struktur des Reiches, seine Erfolge und Schwächen dargestellt. Da die Expansion lebensnotwendig war für das Funktionieren des osmanischen Reiches geriet es in eine schwere Krise als seine Expansion nach Europa gestoppt wurde und die europäische Moderne ihre weltweite Überlegenheit präsentierte. Die osmanischen Eliten entschieden sich daraufhin, sich an Europa zu orientieren und leiteten einen Reformkurs von oben ein.
Das dritte Kapitel behandelt die Zeit der Gründung der Türkei und das radikale Reformprogramm Atatürks. Im vierten Kapitel wird dann die spätere, ebenfalls von oben verordnete Demokratisierung beschrieben. Das letzte Kapitel widmet sich schließlich der Zeit nach dem Militärputsch 1980, der Integration des Islamismus in den laizistischen Staat und den Beziehungen zur EU.
Am Ende des Buches finden sich eine Bibliographie und ein Register.
Cengiz Günays "Geschichte der Türkei" ist eine solide und faktenreiche Einführung, die sich am Paradigma der osmanischen und türkischen Eliten, das Land zu modernisieren, orientiert. Diesem roten Faden entlang gelingt es dem Autoren dem Leser auch ohne Vorwissen die Geschichte der Türkei zu vermitteln.
Die Kapiteleinteilung, die zugleich eine Periodisierung darstellt, erscheint sehr sinnvoll. Für jede Epoche, ob Niedergang des osmanischen Reiches, Verwestlichung der Türkei oder Demokratisierung, gelingt es dem Autor das jeweils charakteristische Strukturmerkmal herauszuarbeiten. Für jede Phase der türkischen Geschichte ist dabei bezeichnend, dass die Reformprozesse stets von den Eliten selbst eingeleitet wurden.
Negativ fällt an dem Buch nur auf, dass manche bekannte Aspekte der türkischen Geschichte weniger Raum erhalten haben, als so mancher Leser es vielleicht erwartet. Dafür werden andere sehr ausführlich behandelt. Das mag zum einen der Schwerpunktsetzung des Textes auf die Modernisierung geschuldet sein, zum anderen vielleicht aber auch der Absicht des Autors, sich allzu mutiger Wertungen zu enthalten. So wird sicher jedem auffallen, dass der Völkermord an den Armeniern nur auf zwei Seiten behandelt wird und dabei vor allem nur dargestellt wird, dass die Frage, ob es ein Völkermord war, unter Historikern umstritten ist. Selbst im letzten Kapitel wird auf diese Frage nicht mehr eingegangen, obwohl sie durchaus eine aktuelle Brisanz besitzt, da das Thema ja immer mal wieder öffentlich aufkommt.
Insgesamt aber ist das Buch eine gelungene Einführung. Faktenreich, strukturiert geschrieben und sowohl für interessierte Laien als auch für Studenten gut benutzbar.