Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Gefühl | |
Humor | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Nach dem Tod ihrer Eltern findet die Waise Warwara Aufnahme im russischen Winterpalast, der Residenz der Kaiserin Elisabeth Petrowna in der kalten Jahreszeit. Als Dank für die guten Dienste, die ihr Vater der Herrscherin einst leistete, weist man ihr Arbeit in der kaiserlichen Kleiderkammer zu. Schnell jedoch zieht die hübsche, sprachtalentierte Warwara die Aufmerksamkeit des Reichskanzlers auf sich. Er beginnt, sie unter seine Fittiche zu nehmen und sie zu einer seiner Spioninnen auszubilden, und schnell erweist sich, welch großes Geschick Warwara in diesem Metier besitzt. Sie wird zu einem Kammermädchen der launischen Kaiserin Elisabeth, spürt Intrigen auf und erfährt viel über die Mächtigen des Reiches. Als die junge deutsche Prinzessin Sophie mit ihrer Mutter an den russischen Hof kommt, setzt Elisabeth Warwara darauf an, das Vertrauen der Fremden, die vielleicht die Braut des russischen Thronfolgers werden könnte, zu erschleichen. Warwara soll die Kaiserin über sämtliche Worte und Taten der Fremden unterrichten. Womit Elisabeth nicht rechnet, ist, dass Warwara Sophie lieb gewinnt und beschließt, dieser im Haifischbecken des russischen Zarenhofs zur Seite zu stehen. Dafür bricht Warwara sogar mit ihrem einstigen Gönner, dem Reichskanzler. Zwischen den beiden unterschiedlichen Frauen entsteht eine enge Vertrautheit, und so ist Warwara immer in der Nähe Sophies, die eines Tages als Katharina die Große den russischen Zarenthron erklimmen wird ...
Mit "Der Winterpalast" entführt Eva Stachniak ihr Publikum an den russischen Zarenhof in den Jahren 1743 bis 1764 und erzählt vom schwierigen, entbehrungsreichen Aufstieg einer deutschen Prinzessin zur mächtigsten Frau Russlands. Obwohl die Autorin einen sehr erzählerischen Ton anschlägt, von vielen Ereignissen nur berichtet, als würde sie sie einem Tagebuch beichten und Dialoge dadurch eine eher untergeordnete Rolle spielen, zieht die Geschichte den Leser sofort in ihren Bann. Mit Einfühlungsvermögen zeichnet sie ein Bild von den Adeligen damaliger Zeit: von der wankelmütigen, abergläubischen Elisabeth bis hin zur so unschuldig wirkenden und doch einen stahlharten Willen besitzenden Katharina.
Es ist kein Roman über das Leben oder die Regierungszeit von Katharina der Großen, sondern über die Zeit von ihrer Ankunft im Russischen Reich als unwichtige deutsche Prinzessin bis zu ihrem Aufstieg auf den Zarenthron. Dadurch wird "Der Winterpalast" eher zum Sittengemälde des russischen Hofs zur damaligen Zeit: Der Leser erfährt zwar viel über die frühen, schweren Jahre Katharinas in Russland, ebenso wichtig – und interessant – sind aber die späten Regierungsjahre von Kaiserin Elisabeth und die Darstellung des Alltags von Spioninnen wie Warwara im Winterpalast.
Mit dem Gespür für die richtigen Details erzeugt Eva Stachniak Spannung und hält den Leser an der Stange. Ihr historischer Roman wirkt so opulent wie das imposante Bauwerk, das dem Buch seinen Titel leiht: Der Winterpalast mit seinen riesigen Spiegeln, dem Marmor, dem vergoldeten Stuck, aber auch den maroden Böden und den vom Schimmel angegriffenen Wänden steht sinnbildlich für die äußerlich imposante, aber teils verlotterte Adelsgesellschaft bei Hofe. Den Glanz und den Verfall fängt die Autorin in ihrem Roman gut ein, der trotz aller geschichtlichen Referenzen vor allem von menschlichen Schicksalen erzählt. Insofern sei das Buch jedem ans Herz gelegt, der für höfische Intrigen etwas übrig hat, mehr über die Anfangszeit von Katharina der Großen am Zarenhof erfahren will oder aber Roman im Stil von
"Die Schwester der Königin" mag.
Eine Leseprobe findet sich auf der Website des Verlags.