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Nicht umsonst wird die Alchemie auch als die königliche Kunst bezeichnet, will sie doch aus unedlen Metallen Gold gewinnen und den Stein der Weisen herstellen, der Unsterblichkeit verleiht. Viele Jahrhunderte hindurch gab es ebenso ernsthafte wie quacksalberische Bestrebungen, diese Kunst weiterzuentwickeln. Hiervon zeugen nebst vielen Texten auch eindrucksvolle Illustrationen.
Im hier besprochenen Buch geht es vor allem um die prächtigen Bilderhandschriften, jedoch auch gedruckte Versionen, die sich mit den mystischen Prozessen der Alchemie befassen und sowohl die stofflichen Vorgänge als auch den philosophischen Überbau betrachten, der damit unabdingbar verbunden ist.
Das erste Kapitel führt in die Materie ein, das zweite präsentiert die erwähnten Bilderhandschriften, im dritten lernt der Betrachter und Leser Alchemisten bei der Arbeit kennen, im vierten werden sehr anschaulich Serien von Grafiken gezeigt, teils heutigen Comics ähnelnd, das fünfte präsentiert das "Mutus liber", eine eigentlich stumme Schrift, deren Bilder jedoch umso beredter sind, und das sechste stellt die Alchemie in der Moderne dar – mit einer keineswegs ausschließlich neuen Interpretation.
Nun gibt es reichlich Literatur zur Alchemie, von der streng wissenschaftlichen Betrachtung bis hin zur reinen Esoterik, und ein anspruchsvoller Band sollte sich schwertun, hier einen Platz zu erobern. – Dieser allerdings nicht! Anders als herkömmliche Werke betont er den künstlerischen Aspekt, die verschiedenen, voneinander befruchteten oder auch innovativen Wege, die Geburt des Steins der Weisen darzustellen mit der Vereinigung des Königspaares, der Entstehung eines Hermaphroditen an der ein oder anderen Stelle des Prozesses, der Verwesung und Auflösung und schließlich der Auferstehung in der Person eines Königs und/oder einer Königin.
Diese Vorgänge, in den so wunderbar illustrierten Handschriften detailliert festgehalten, werden anhand der bedeutenden Werke anschaulich aufgezeigt und erläutert, sodass auch der Laie gut in die Materie hineinfindet. Berühmte Schriften wie "Donum Dei", "Rosarium philosophorum" und "Pretiosa Margarita Novella" sowie auch Interpretationen moderner Künstler wie Beuys, Pollock, Miró und von Jawlensky – und auch Rudolf Steiner, der Begründer der Homöopathie, tritt auf den Plan – bieten einen freilich verwinkelten, kurvigen Pfad durch die Historie der Praxis und Rezeption der Alchemie durch die Jahrhunderte. Davon wird sich der Kunstinteressierte sehr gern einfangen lassen; die Texte tun ein Übriges, um den mystischen und philosophischen Überbau so sachkundig wie fesselnd zu erklären; aber auch der Naturwissenschaftler mag fasziniert sein von der künstlerischen Interpretation und Ausgestaltung des Gedankengebäudes eines Vorläufers moderner Erkenntnis.
Es bedarf nicht immer begleitender Texte, etliche der sehr ausdrucksvollen Illustrationen sprechen für sich und bieten einen unmittelbaren Zugang zu frühneuzeitlichen Gedankenwelten. Das Zusammenspiel oder auch die Divergenz von praktischer und spekulativer Alchemie wird in diesem prächtigen Band perfekt herausgearbeitet, sodass der Leser einen durchaus umfassenden Eindruck vom Wesen der Alchemie gewinnt, ohne verwirrt zu werden. Jörg Völlnagel geht dabei mit der Materie und ihren Autoren und Protagonisten respektvoll um, sodass die Faszination dieser eigenartigen Wissenschaft erhalten bleibt.
Der prächtige Einband und ebenso das "Innenleben" sind ausgesprochen hochwertig gefertigt. So lässt auch die Verarbeitungsqualität keinen Tadel zu, und der nicht ganz geringe Preis ist völlig gerechtfertigt. Eine Freude für den Interessierten, eine Bereicherung für jede private Bibliothek – und eine Quelle von Inspiration und Wissen dazu!