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Fünf Jahre ist es her, dass der vierte Band der Wächter-Roman-Reihe von Sergei Lukianenko veröffentlicht wurde, nun dürfen die Fans der Geschichten um den Lichten Anton Gorodezki ein weiteres Mal in die Welt der Tag- und Nachtwache eintauchen.
Wie bei den Wächter-Romen üblich, ist auch "Wächter des Morgen" in drei Abschnitte unterteilt, die zwar in sich abgeschlossen sind, aber erst zusammen ein großes Ganzes ergeben und vieles erklären. Aber Achtung: die vorangegangenen Romane sollten, bevor dieser hier geschmökert wird, Pflichtlektüre sein, um zu verstehen, was hier überhaupt passiert.
Anton arbeitet weiterhin als ein tüchtiges Mitglied bei der Nachtwache, aber auch sein Familienleben ist ihm wichtig. Bei einem seiner Aufträge stößt er auf den Jungen Innokenti Tolkow, der Kescha genannt wird und der sich als Prophet herausstellt. Die Nachtwache erkennt sein Potenzial und will ihn unbedingt auf ihrer Seite wissen. Was sie nicht ahnt, ist, welche Schwierigkeiten sie sich damit aufbürdet: Es gibt ein Zwielichtwesen, das Kescha verfolgt und kein anderes Ziel hat, als ihn zu töten. Sie nennen es den Tiger, den es ist das absolute Raubtier, selbst die mächtigsten Anderen können es nicht besiegen, sondern höchstens für eine kurze Weile aufhalten. Eins ist klar, Kescha muss geschützt werden. Oder etwas nicht? Gesa, der Kopf der Nachtwache, weiß, dass der Tiger die gesamte Nachtwache zerstören kann, ja sogar ganz sicher zerstören wird, wenn sie sich ihm in den Weg stellen sollte. Ist der junge Prophet das wert? Oder ist die Frage nicht vielmehr, worum es sich bei dem geheimnisvollen Wesen wirklich handelt und wie es in seine Schranken verwiesen werden kann?
Der Leser mag sich fragen, ob die Weiterführung einer Handlung, die ihren vermeintlichen Abschluss bereits gefunden hatte, wirklich Sinn ergibt oder ob es hier darum geht, die Wächer-Kuh bis auf den letzten Tropfen zu melken. Aber egal, was wirklich dahintersteckt, Fakt ist, dass Sergei Lukianenko erneut eine kurzweilige und spannende Geschichte zu erzählen hat. Von der ersten Seite an weiß die einzigartige Welt, in der es die Anderen gibt, jene Menschen, die sich des Zwielichts bedienen und Magie wirken können, einen wieder zu fesseln.
Es ist kaum zu glauben, aber Lukianenko gelingt es auch im fünften Teil des Zyklus noch, dem Leser neue Aspekte seiner Welt zu zeigen, die sich nahtlos in das bisher Geschehene einfügen. Dazu gesellen sich herrliche Wortgefechte zwischen Anton und anderen, die, auch wenn sie sich teilweise etwas in die Länge ziehen, äußerst unterhaltsam sind. Oft werden dabei gesellschaftliche Themen behandelt, aber auch der Humor kommt nicht zu kurz, wenngleich er immer nur in kleinen, wohldosierten Portionen seinen Auftritt hat. Antons ganz spezielle Art die Welt zu sehen, die sowohl Selbstzweifel als auch Selbstüberschätzung kennt, sorgt außerdem für wundervolle Momente. Insgesamt ist die Erzählweise etwas nachdenklicher und düsterer geworden, was sich aber gut in die Geschichte einfügt und nur unterstreicht, wie sich auch der Protagonist weiterentwickelt hat.
Der fantastische Aspekt fällt immer weniger auf, da die Wächter-Welt dem Leser durch die Vorgängerbände bereits sehr vertraut ist. Den größten Fantasy-Teil macht diesmal sicherlich der so genannte Tiger aus, der Kescha verfolgt. Ein Highlight des Romans, nämlich ein Kampf, bei dem sich sowohl Lichte als auch Dunkle dem Gegner entgegenstellen, taucht sogar bereits recht früh im Roman auf.
Insgesamt eine wirklich gelungene Fortsetzung der Reihe, der nur dadurch einen Punkt Abzug bekommt, dass das zynische Sinieren des Protagonisten ein wenig zu viel Raum einnimmt. Alles andere ist eine gewohnt solide Wächter-Geschichte, die sich kurzweilig liest und einfach Spaß macht.
Der Heyne-Verlag hält auf seiner Webseite eine Leseprobe bereit.