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An einem schwülen Nachmittag Mitte Juni erfährt Kenny Dummont, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Nur noch sechs Wochen bleiben dem schwerkranken Maler, bevor ein bösartiger Hirntumor sein Leben für immer beenden wird. Zeit, die Kenny dazu nutzen will, frühere Versäumnisse in Ordnung zu bringen und sich bei den Menschen zu bedanken, die in schwierigen Situationen für ihn da waren. Deshalb fertigt er eine Liste, die letztendlich nur vier Namen enthält. Während die ersten beiden Personen schnell erledigt sind, bleiben seine Ex-Frau Mary und eine einstige Schulfreundin übrig. Und genau mit der Letztgenannten beginnt eine Reihe von Problemen, die ihn bis zu seinem baldigen Tod beschäftigen werden. Denn Callie Barton ist seit Jahren spurlos verschwunden und ihr zur Gewalt neigender Ehemann beteuert nicht zu wissen, was mit ihr geschehen ist. Eine Behauptung, die er nicht glauben kann und deshalb nimmt Kenny die Nachforschungen selbst in die Hand.
Mit "Gefangen" hat Neil Cross einen Thriller geschrieben, dessen trostloser Verlauf wenig Hoffnung lässt. In ihm setzt sich der todkranke Kenny Dummont mit seiner kargen Vergangenheit auseinander und anstatt in Frieden aus dem Leben zu scheiden, überschreitet er Grenzen, die nur ein extrem verzweifelter Mensch zu durchbrechen vermag. Denn ohne Skrupel zu hegen, wird er zum Verbrecher und anstatt für die Konsequenzen seines Handelns geradezustehen, muss ein völlig Anderer für ihn büßen. Eine dramatische Entwicklung, die das gesamte Geschehen bestimmt und von verletzten Gefühlen, menschlichem Unvermögen und jeder Menge Gewalt getragen wird. Dabei versteht es Neil Cross die sich chronologisch aneinanderreihenden Szenen mit sehr einfachen Worten zu beschreiben und den Fokus des Lesers eher auf die ausbrechenden Gefühle von Kenny zu lenken, als auf die eigentliche Tat.
Nachdem schon Neil Cross' Serienfigur DCI John Luther mit unkontrollierbaren Gefühlen und einem Hang zum Bösen überzeugen konnte, legt der britische Schriftsteller mit Kenny Dummont nach und erschafft erneut eine Hauptfigur, die sich nur schwer unter Kontrolle hat. Doch anstatt diese mit unangenehmen Charakterzügen auszustatten, lässt er sie sympathisch erscheinen und dazu noch regelrecht hilflos, wenn es um die Verteidigung Schwächerer geht. Eine Konstellation, die gut funktioniert, diesmal in seiner Ausführung aber etwas schwächelt. Denn anstatt von Beginn an in die "Vollen" zu gehen, nimmt sich Neil Cross zu viel Zeit, um die Handlung zu entwickeln, fügt Figuren ein, die keine Bedeutung haben, oder lässt ein Verbrechen geschehen, dessen Motive zweifelhaft sind. Sieht der Leser aber von den wenigen Schwächen ab, erlebt er einen subtilen Thriller, der ihn zwar erst allmählich, dann aber mit voller Gewalt in einen Sog von Ereignissen zieht.
Fazit:
"Gefangen" ist ein dramatisch verlaufender Thriller, dem der Leser die anfängliche Gelassenheit verzeihen sollte, um in den vollen Genuss seines wendungsreichen und letztendlich ausufernden Geschehens zu kommen.
Einen Blick ins Buch gibt es auf der Verlags-Website.