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 Lesen unter Hitler

Autoren, Bestseller, Leser im Dritten Reich

Autoren: Christian Adam
Verlag: Fischer

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Wenn es um Bücher im Dritten Reich ging, ging es bislang vornehmlich um die bei der Bücherverbrennung 1933 verbrannten Bücher sowie um die Werke jener Schriftsteller, welche unter den Nationalsozialisten nicht mehr erwünscht waren. Kaum eine Rolle spielten hingegen Bücher, welche in dieser Zeit tatsächlich massenhaft im Umlauf waren. So konstatiert Christian Adam zu Beginn zu Recht, dass man hier "mit zahlreichen blinden Flecken" zu kämpfen hat. Zudem fehle eine Überblicksdarstellung.

Dies nimmt Christian Adam zum Anlass, in seinem Buch "Lesen unter Hitler" vor allem jene massenhaft gelesenen Werke in den Blick zu nehmen. Hierzu erstellte er eine "virtuelle Bestsellerliste" mit Büchern, deren Auflagenhöhe über 100.000 lag. Ausgehend davon subsumiert er folgende zehn Buchtypen, die in der Zeit des Nationalsozialismus massenhafte Verbreitung fanden: Populäre Sachbücher, NS-Propaganda-Schrifttum, Kriegsbücher, humoristische und komische Bücher, das moderne Unterhaltungsbuch vom Arzt- über den Kriminal- bis hin zum Zukunftsroman, Volksliteratur, ausländische Bestseller, gehobene Literatur, nationalsozialistische Literatur sowie "Lesefutter für den Krieg". Diese zehn Buchtypen bilden den Kern des Buches, da jedem ein eigenes Kapitel gewidmet ist, in welchem Autoren, Werke, Distributionsbedingungen sowie Reaktionen und Rezeptionen vorgestellt werden. Zudem beschreibt Adam in einem einführenden Kapiteln die nationalsozialistische Literaturpolitik. In zwei weiteren Kapiteln geht er außerdem auf den Bestsellerbegriff sowie auf die Lesepräferenzen der NS-Prominenz ein. Abgeschlossen wird das Buch durch einen ausführlichen Anmerkungsapparat, eine umfangreiche Bibliografie sowie ein präzises Register der Personen, Titel und Institutionen.

Auch wenn die im Vorwort erwähnte Lücke einer Überblicksdarstellung zu den beliebtesten Lesestoffen während der NS-Zeit mit dem Buch von Adam nicht gefüllt werden kann, so bietet dieses Buch dennoch eine spannende und interessante Annäherung an dieses Forschungsfeld. Denn Adam gelingt es, an unterschiedlichen Beispielen zu veranschaulichen, wie heterogen der Lesestoff während dieser Zeit war. Hierbei wird immer wieder deutlich, dass es keine einheitlich gelenkte Literaturpolitik gab, sodass sogar ausländische Autoren gelesen werden konnten. Auf der anderen Seite bedeute dies aber auch eine Willkür, die allgemeine Aussagen zum Buchmarkt während der NS-Zeit erschweren. Vielleicht ist genau dies der Grund, weshalb es sich bei dem Buch um keine umfassende Überblickdarstellung handelt.

Hinzu kommt, dass Adam auf wenig Vorarbeiten zurückgreifen kann, sodass sein Blick auf dieses Thema kursorisch bleiben muss. Dies bedeutet keineswegs eine Qualitätseinbuße, sondern vielmehr, dass sich der Leser auf eine exemplarische Vorstellung der Bestsellerliteratur einstellen muss.

Da die reinen Auflagenzahlen grundsätzlich nur bedingt etwas darüber aussagen, ob die gekauften Bücher auch gelesen wurden, flechtet Adam immer wieder Aussagen zeitgenössischer Leser wie Victor Klemperer oder Joachim Fest ein, die auch die persönlichen Lesegewohnheiten in den Blick nehmen sollen. Freilich muss die Herangehensweise hier ebenfalls beispielhaft bleiben, da auch mit dieser Methode keine belastbaren quantitativen Aussagen zu treffen sind. Sehr wohl bieten diese Zitate jedoch eine Annäherung an die Leseeindrücke einzelner Personen, anhand derer einzelne Lesementalitäten nachvollzogen werden können. Was jedoch bleibt, ist die Tatsache, dass Adam das Dilemma der fehlenden Kongruenz von Produktion und tatsächlichen Lesegewohnheiten bei manchen Buchtypen (zum Beispiel beim NS-Propaganda-Schrifttum) nicht lösen kann. Da Adam jedoch keinen Hehl aus dieser Problematik macht, bietet das Buch trotz dieser nicht dem Autor anzurechnenden methodischen Schwierigkeiten einen interessanten Blick in die Bestsellergeschichte des Dritten Reiches.

Weitere Informationen zum Inhalt und Autor finden sich auf der Verlags-Website.

Matthias Jakob Schmid



Taschenbuch | Erschienen: 13. Dezember 2012 | ISBN: 978-3596192977 | Preis: 12,99 Euro | 384 Seiten | Sprache: Deutsch

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