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Die Kommunistische Internationale (Komintern) war eine der einflussreichsten weltweit agierenden Organisationen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Am Ende des Ersten Weltkriegs gegründet sollte sie die Weltrevolution unterstützen, doch wurde sie mehr und mehr Werkzeug der sowjetischen, das heißt stalinistischen, Außenpolitik. Nicht selten geriet ihr Einfluss den kommunistischen Parteien in vielen Ländern zum Nachteil. Der indische Politikwissenschaftler Sobhanlal Datta Gupta zeichnet das Wechselverhältnis zwischen Komintern und Kommunistischer Partei Indiens (KPI) von 1919 bis 1943 nach.
Auf knapp 370 Seiten erzählt Gupta sowohl die Geschichte der Komintern als auch die des indischen Kommunismus. Dabei zeichnet er vor allem die Auseinandersetzungen sowohl in der KPI als auch in der Komintern nach, so zum Beispiel zwischen dem Inder Roy und Lenin, oder später zwischen Roy und Stalin. Dabei ging es vor allem um die Fragen, welche Bedeutung der antikoloniale Kampf für eine sozialistische Weltrevolution habe und ob Kommunisten mit nicht-kommunistischen antikolonialen Kräften zusammenarbeiten sollten.
Das Buch ist in sechs Kapitel gegliedert. Im ersten Kapitel wird die Forschung zur Komintern rekapituliert und ihre Geschichte bis zu ihrer Auflösung 1943 nachgezeichnet. Die folgenden drei Abschnitte erzählen chronologisch die Entwicklungen und Wechselwirkungen der Komintern und der KPI. Im fünften Teil werden die indischen Revolutionäre und ihr Schicksal betrachtet und im letzten Abschnitt schließlich mögliche historische Alternativen diskutiert.
Sobhanlal Datta Guptas "Komintern und Kommunismus in Indien 1919-1943" fasst den Forschungsstand und die Ereignisgeschichte zum Verhältnis Komintern und KPI fundiert und quellennah zusammen. Der Autor achtet darauf, die verschiedenen Standpunkte der historischen Akteure wie auch der Historiker verständlich darzustellen. Herausgekommen ist eine anschauliche Einführung ins Thema.
Der Fokus der historischen Erzählung und Analyse liegt auf den Diskursen der führenden Kommunisten der Sowjetunion, Europas und Asiens. Der Autor zitiert viel und lang aus Kongressprotokollen, Briefen, Reden und Aufsätzen der Beteiligten. Ereignisgeschichte ist in diesem Buch vor allem Diskursgeschichte. Die reale Faktenlage, beispielsweise die zahlenmäßige Stärke des Kommunismus in Indien, wird eher vorausgesetzt, ebenso die Biografien der Akteure. Dem Verständnis des Textes tut dies zwar keinen Abbruch, aber für eine Einordnung der dargestellten Diskurse muss der Leser sich einige Fakten woanders beschaffen oder als Vorwissen mitbringen.
Ein wenig ermüdend ist der Schreibstil des Autors Stellen. Er neigt dazu, alles in Aufzählungen auszudrücken. Fast auf allen Seiten gibt es ein erstens, zweitens oder drittens. Das strukturiert die Darstellung zwar, aber ist nicht besonders spannend zu lesen.
Großartig bleibt aber die Mischung aus Verständlichkeit und neuestem Forschungsstand, der sich insbesondere durch die Nutzung neu geöffneter Archive seit Beginn der 1990er Jahre ergeben hat. So bietet das Buch neue Antworten auf alte Forschungsfragen und auch Anregungen für neue Fragen.
Fazit: der aktuelle Forschungsstand verständlich geschrieben. Einzig der Verzicht auf Hintergrundinformationen und der wenig spannende Schreibstil schmälern den Lesegenuss ein wenig.