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Krankenschwester zu werden ist Isabelles großer Berufswunsch. Um diesen zu erfüllen, geht sie auf eine Schwesternschule; zufällig und erfreulicherweise ist diese gerade an ein Krankenhaus angeschlossen, in dem Isabelles Cousine Véronique bereits arbeitet. So lernt sie die theoretischen und die praktischen Voraussetzungen, die sie später braucht, mit Hilfe ihrer Verwandten unter deren unterstützender und helfender Hand. Nicht nur in der Ausbildung läuft alles ordentlich, auch verbringt Isabelle viel Zeit mit dem netten Pfleger Sami und fühlt sich wohl bei ihm.
Doch seit einer Weile geht es Isabelle nicht gut. Immer wieder schwächen Schwindelanfälle die junge Frau, bis sie schließlich vor den Augen eines jungen Arztes namens Philipp zusammenbricht. Er kümmert sich um Isabelle und nennt sie fortan liebevoll Bambi, weil sie einen so unsicheren und hilfsbedürftigen Eindruck wie ein Rehkitz macht, wenn sie an den Schwindelanfällen leidet.
Einerseits spürt die junge Frau, wie sie sich immer mehr zu dem zurückhaltenden Doktor hingezogen fühlt, andererseits erscheint er ihr unheimlich, denn er redet wenig und ist in jeder freien Minute im Krankenhaus, als habe er sonst kein Leben. Dann verschwindet plötzlich eine frisch operierte Patientin spurlos, und als wäre das nicht genug, erwachen Patienten plötzlich während der Operationen, als seien sie nicht richtig narkotisiert. Nach und nach verdichten sich für Isabelle die Anzeichen, dass Philipp etwas mit dem Verschwinden der Patientin und den schlechten Narkosemitteln zu tun haben muss. Ein Psychoduell zwischen den beiden entspinnt sich.
Ungewöhnliche Wege beschreitet Regisseur Marchand mit seinem französischen Thriller, der unterkühlt und distanziert eine sterile Krankenhausatmosphäre entwirft und der den Zuschauer fesselt und zugleich auf Abstand hält. In kalten Bildern voller Eistöne wird eine Stimmung hergestellt, die zugleich futuristisch als auch unheimlich vertraut erscheint.
Der Clou der Geschichte ist unerwartet: Schon früh ist der Zuschauer in die mysteriösen Geschehnisse eingeweiht, bereits nach einer halben Stunde liegen eindeutige Hinweise vor, die im Laufe der Handlung auch nicht, wie sonst üblich, widerlegt werden, um einen großen Knalleffekt zu erzielen.
"Wer tötete Bambi?" ist kein gewöhnlicher Thriller, in dem es darum geht herauszufinden, wer der Mörder ist und warum - vielmehr widmet sich Marchand der elektrisierenden Atmosphäre und den hypnotischen Bildern. Der Regisseur lässt sich Zeit, der Spannungsbogen wird nur langsam gespannt, die Stimmung und die Empfindungen des Zuschauers rücken in den Vordergrund und sind wichtiger als die üblichen Elemente eines Thrillers. Vergeblich wartet der Zuschauer auf überraschende Schockmomente mit aufrüttelnder Musikuntermalung oder das übliche Rätselraten und das Aussortieren der Verdächtigen.
Überhaupt ist der Einsatz von Musik äußerst sparsam gewählt. Marchand lässt seine Bilder und seine erstklassige Riege an talentierten Schauspielern sprechen, allen voran Sophie Quinton, die in der Rolle der Isabelle völlig aufgeht. Sie verkörpert eine wundervolle Mischung aus lebenslustiger junger Frau und unschuldigem Mädchen und ist als "Bambi" perfekt besetzt. Dem steht Laurent Lucas als Philipp kaum nach; sein melancholischer Blick täuscht zu schnell darüber hinweg, dass er etwas mit den seltsamen Ereignissen im Krankenhaus zu tun haben muss. Beide Akteure liefern sich einen wenn nicht spannenden, so doch interessanten Schlagabtausch in ansprechenden Dialogen. Eine besonders schöne Idee ist das Spiel, das beide spielen: Früh in der Handlung lässt sich Philipp von Isabelle nach einem seiner Träume ausfragen. Seine Antworten sind nur Ja oder Nein, und so zeichnet "Bambi" durch ihre Fragen einen zarten, schönen Traum. Dasselbe Spiel spielen beide gegen Ende des Films mit vertauschten Rollen - nun stellt Philipp die Fragen -, diesmal jedoch ist der Ausgang des Spiels noch überraschender als beim ersten Mal.
Dennoch ist die Handlung nur bedingt befriedigend. Das Warum fehlt und wird unzulänglich tangiert, und so fesselnd die Stimmung ist, so wenig werden die offen gebliebenen Fragen, die sich unweigerlich stellen, beantwortet. Letztlich lebt "Wer tötete Bambi?" von atmosphärischen Bildern und tollen Darstellern. Die erzählte Geschichte bleibt leider bald auf der Strecke und endet in einem wiederum ansprechenden Finale. Trotzdem bleiben zu viele Fragezeichen und zu viele offen gebliebene Handlungsstränge. Schade, denn Marchand hat mit seinem Spielfilmdebüt viel Talent bewiesen, was Atmosphäre und Optik betrifft.
Interessant ist das Interview mit Marchand und Quinton, das in schriftlicher Form bei den Extras vorliegt. Beide geben Spekulationen über den Titel "Wer tötete Bambi?" ab, die allesamt plausibel klingen und dem Zuschauer den Raum geben, selbst eine Interpretation in den Titel zu legen.
Specials der DVD:
- Biographien zu Darstellern und Regisseur
- Interview mit Marchand und Quinton
- Trailer