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Immer weiter nach Norden geht es für das kleine Grüppchen der Flüchtenden um Gus, Jepperd, Lucy, Becky und die Hybridkinder Bobby und Wendy, nachdem sie dem Militärcamp und den grausamen Experimenten dort entronnen sind. Auch der verhasste Dr. Singh und Johnny haben sich dem langen und beschwerlichen Weg nach Alaska angeschlossen, denn dort hoffen sie, Antworten auf alles zu finden, was geschehen ist: die tödliche Seuche, der Ursprung der Hybridkinder und die Bedeutung der seltsamen "Bibel", die Gus' Vater vor seinem Tod verfasst hat.
Der Weg nach Norden ist jedoch sowohl beschwerlich als auch gefährlich und das Grüppchen zerrüttet: Erschüttert von dem schrecklichen Verrat an ihm, spricht Gus nicht mehr mit Jepperd. Der wiederum kann nicht über den erneuten Verlust seines Sohnes Buddy sprechen und ist schweigsamer und aggressiver denn je. Mitten im Wald machen Erwachsene und Hybridkinder dann die Bekanntschaft des seltsamen Walter Fish, der geschützt in einem Damm lebt, wo es Wunder wie Elektrizität, saubere Kleidung und Lebensmittel gibt. Während Lucy, Becky, Bobby und Wendy gerne für immer dort bleiben möchten, zieht es Jepperd, Gus und Dr. Singh weiter nach Norden. Bald entbrennt ein heftiger Streit in der Gruppe, der grauenhafte Folgen hat. Wem können die Flüchtenden noch trauen? Welche Antworten erwarten sie in Alaska - oder wartet dort nur der Tod?
Jeff Lemires viel beachtete und hochgelobte Serie "Sweet Tooth" erreicht mit dem vierten Band "Bedrohte Arten" eine noch höhere emotionale Intensität, falls das nach dem nervenaufreibenden dritten Band " überhaupt noch möglich ist. Lemire hat sich von Band zu Band künstlerisch immer weiter gesteigert, was man in "Bedrohte Arten" sehr schön sieht: Der Autor und Zeichner verlässt in diesem Teil der packenden Geschichte sehr oft die konventionellen Pfade und arbeitet mit vielen unterschiedlichen Zeichenstilen, die immer genau zu dem Teil der Handlung passen, der gerade erzählt wird. So erhalten die Bilder mal eine traumhafte, mal eine nüchterne Stimmung, dann wieder wirken sie wie eine Reihe von freundlichen Kinderzeichnungen, weil ein Kind sich an die Szene zurückerinnert. Gegen Ende des Bandes gibt es eine unglaublich intensive Entwicklung, die Lemire atemberaubend in krakelige, ausdrucksstarke und höchst beunruhigende Bilder verpackt hat.
Auch was die Aufteilung der Panels und die Formate angeht, wagt der Autor völlig unbefangen neue Schritte - der Band beginnt überraschenderweise im Querformat und in einer Art Bilderbuch-/Märchen-Erzählstil, was all dem, was noch folgen soll, bereits eine unheilvolle Stimmung verleiht.
Nach wie vor ist "Sweet Tooth" eine hochemotionale Geschichte, die häufig so dramatisch, so todtraurig ist, dass man kaum weiterlesen mag - und es natürlich dennoch tut, denn genau wie Gus und Jepperd drängt es den Leser, das große Geheimnis hinter dem Hybridjungen Gus zu erfahren. Der hat sich in diesem Band stärker gewandelt und ist kein unbekümmerter kleiner Junge mehr, sondern er ist verbitterter, misstrauischer und härter geworden. Diese Entwicklung ist logisch, aber auch schmerzhaft zu lesen - etwa wenn Gus sich verbittet, von Jepperd weiterhin "Sweet Tooth" genannt zu werden.
"Bedrohte Arten" ist ein unglaublich intensiver und mitreißender Teil von "Sweet Tooth". Definitiv eine der besten Comicserien, die es aktuell zu lesen gibt, und, man darf es ruhig sagen, sicherlich auch eine der besten Serien, die je geschrieben wurden. Beeindruckend und herzzerreißend!
Eine Leseprobe gibt es hier auf der Website von Panini Comics. Zwei Teile von "Sweet Tooth" werden noch folgen.