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 Dreihundert Brücken


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
So geht es nicht weiter, weiß die tschetschenische Großmutter, die mit ihrem Enkel Ruslan, ihrem einzigen verbliebenen Verwandten, elend in einem Flüchtlingslager in Inguschetien lebt. Mithilfe von Beziehungen und Erspartem gelingt es ihr, Ruslan nach Sankt Petersburg schleusen zu lassen, wo Arbeiter für die Verschönerung der Stadt zur anstehenden 300-Jahr-Feier gesucht werden.
Zuvor erfährt Ruslan von ihr, dass seine Mutter, eine Russin, ihn, den Säugling, und seinen tschetschenischen Vater verlassen hat und nach Sankt Petersburg zurückgekehrt ist, nachdem das Strohfeuer ihrer Liebe erloschen war. So macht Ruslan sich auf den Weg, sie zu suchen.
Zeitgleich wird Andrej, ein russischer Rekrut mit brasilianischem Vater, ebenfalls in Sankt Petersburg von seinem Vorgesetzten ausgeschickt, um einem Unbekannten als "Lustknabe" gegen Geld zur Verfügung zu stehen - Schicksal der Rekruten. Nach Erledigung der widerwärtigen Pflicht zählt Andrej das Geld nach, und prompt wird es ihm von einem Straßenräuber entrissen. Andrej, der weiß, dass er ohne das Geld nicht in die Kaserne zurückkehren kann, macht sich daran, den Dieb zu verfolgen. Es beginnt eine Jagd durch Sankt Petersburg, die sein Leben von Grund auf verändert.

Die Schicksale zweier junger Männer, aufgrund ihrer Herkunft Verfemte in Sankt Petersburg, zudem homosexuell, verflechten sich auf außergewöhnliche Weise in der alten Zarenhauptstadt, deren Fassaden für das Jubiläum sozusagen auf Hochglanz gebracht werden, während es dahinter so düster aussieht wie eh und je. Einer sucht seine Mutter, die ihn allerdings zurückweist, der andere wurde von seiner Mutter nicht beschützt, als der Stiefvater ihn in die Armee zwang. Und weitere Mütter treten in diesem Roman auf, nicht nur Ruslans selbstlose Großmutter, sondern nicht zuletzt die im "Komitee der Soldatenmütter" engagierten Frauen, die versuchen, Rekruten aus der brutalen russischen Armee zu befreien, und deren Klientel.
Doch vor allem ist "Dreihundert Brücken" die Geschichte zweier junger Männer, die sich ineinander verlieben und zum Opfer eines intoleranten, unerbittlichen Systems und ebensolcher einzelner Personen werden.
Packend erzählt der Autor diese Geschichte, er arbeitet mit - nie verwirrenden - Szenenwechseln und Rückblenden, starken Dialogen, authentisch gezeichneten Charakteren und einem Stil, der sich den Spannungskurven geschmeidig anpasst. So sieht der Leser die Menschen und Orte geradezu plastisch vor sich, ob es sich um Großmutter und Enkel in Grosny und Inguschetien handelt oder um die atemlose Verfolgungsjagd und aufkeimende Liebe zwischen Andrej und Ruslan in Sankt Petersburg, die desillusionierenden Treffen Ruslans mit seiner Mutter und schließlich die Konfrontation mit dem faschistischen Halbbruder, der ihn tödlich hasst.
Ein so verstörender und grausamer wie poetischer Roman, unbedingt empfehlenswert.

Eine Leseprobe bietet die Verlagsseite zum Buch an.
Interview mit dem Autor

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 26. August 2013 | ISBN: 9783630873367 | Originaltitel: O filho da mãe | Preis: 19,99 Euro | 223 Seiten | Sprache: Deutsch

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