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 Metropolen der Moderne

Eine europäische Stadtgeschichte seit 1850


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Mit dem Buch "Metropolen der Moderne" legt Friedrich Lenger, der an der Universität Gießen als Professor für Mittlere und Neuere Geschichte tätig ist, eine faszinierende Gesamtschau zur europäischen Großstadtgeschichte seit 1850 vor. Um dieser gewaltigen und äußerst komplexen Aufgabe gerecht zu werden, gliedert Lenger das Buch in folgende drei große Zeitfenster:

  • Europas Städte von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs

  • Europas Städte im Zeitalter der Weltkriege

  • Europas Städte seit 1945

Im ersten Zeitabschnitt, der am ausführlichsten behandelt wird, beschreibt Lenger ausgehend von den beiden Fallbeispielen London und Paris, die Ursachen, Hintergründe und Folgen der "Vergroßstädterung" Europas in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in der beispielsweise in vielen europäischen Städten die heutzutage typische großstädtische Infrastruktur geschaffen wurde. Da hier die zentralen Charakteristika europäischer Metropolen ausgeprägt wurden, nimmt dieses erste Großkapitel verständlicherweise fast die Hälfte, rund 240 Seiten, und damit den größten Teil des Bandes ein.

Im daran anschließenden zweiten Teil geht Lenger dann zunächst auf den Zeitraum 1914 bis 1922/23 ein, der im Zeichen von Krieg, Revolution und Bürgerkrieg stand, was dazu führte, dass die europäischen Metropolen in der anschließenden Zwischenkriegszeit vor der Herausforderung standen, mit den Langzeitwirkungen des Ersten Weltkrieges wie Gewalt und massenhaftes Elend fertig zu werden. Trotz dieser negativen Vorzeichen entwickelte sich aber in diesem Zeitraum auch eine rege großstädtische Kulturszene. Bereits mit dem Spanischen Bürgerkrieg sowie dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich waren europäische Großstädte wieder zunehmend zerstörerischen Elementen ausgesetzt, was Lenger in diesem letzten Teilkapitel ebenso thematisiert wie den anschließenden Wiederaufbau.

Um die Entwicklungen der europäischen Metropolen seit den 1950er Jahren geht es dann im dritten und abschließenden Großkapitel des Buches. Hier entstehen beispielsweise an den Stadträndern zunehmend Großsiedlungen, welche zu einer Schwächung der Stadtzentren führt. Zudem waren europäische Großstädte auch in diesem Zeitraum Austragungsstätten zentraler Konflikte wie die Studentenproteste von 1968 oder die Proteste im Vorfeld der Wende von 1989.

Abgerundet wird das Buch durch ein ausführliches Literaturverzeichnis sowie ein detailliertes Personen-, Orts- und Sachregister.

Mit diesem Buch steigt Friedrich Lenger zu den Großen seines Faches auf. Denn ihm gelingt mit dem vorliegenden Band nicht nur eine einzigartige Darstellung der jüngeren europäischen Stadtgeschichte, sondern auch ein erzählerisches Meisterwerk, in dem er gekonnt handfeste statistische Zahlen mit eindrucksvollen Zeitzeugnissen verwebt. Ganz im Stile eines Orlando Figes schafft er hier ein differenziertes Gesamtpanorama, in dem eingeflochtene Fallbeispiele die Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen den einzelnen europäischen Großstädten anschaulich demonstrieren, ohne dabei das große Ganze aus dem Blick zu verlieren. Trotz der ungemein dichten Darstellung ist das Buch hervorragend lesbar, da Lengers Schreibstil klar und flüssig ist. Hinzu kommt die äußerst griffige und abwechslungsreiche Zitatauswahl, wodurch die Situation in den Metropolen Europas häufig prägnant und anschaulich vermittelt wird.

Auch wenn der Schwerpunkt des Buches deutlich auf der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg liegt – das letzte Kapitel zu den Entwicklungen in den 1950er Jahren umfasst lediglich ungefähr 120 Seiten – tut dies dem hervorragenden Gesamteindruck keinen Abbruch. Diese Schwerpunktsetzung ist lediglich eine Folge der inhaltlichen Sache – gerade die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts darf wohl als entscheidender Zeitabschnitt bei der Herausbildung europäischer Metropolen betrachtet werden – sowie der persönlichen Qualitäten des Autors. Denn gerade im ersten Teil des Buches merkt man an allen Ecken und Enden, dass hier ein ausgewiesener Kenner des mittleren und späten 19. Jahrhunderts schreibt.

Lob gebührt auch der Gerda-Henkel-Stiftung, welche die Publikation finanziell unterstützt hat, wodurch an vier Stellen des Buches jeweils sechzehn hochwertige Bilddokumente in Farbe abgedruckt werden konnten.

FAZIT: ein herausragendes Sachbuch des Bücherherbstes 2013!

Weitere Informationen zum Buch sowie eine Leseprobe finden sich auf der Webseite des Verlags

Matthias Jakob Schmid



Hardcover | Erschienen: 16. September 2013 | ISBN: 978-3406651991 | Preis: 49,95 Euro | 757 Seiten | Sprache: Deutsch

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