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Marcel Prousts siebenbändiger Roman "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" gehört zu den Klassikern der Weltliteratur. Mehrere tausend Seiten lang erzählt er das Leben eines französischen Bürgers der Oberschicht. Dieser schreibt, ans Ende seines Lebens gekommen, seine Biographie aus der Ich-Perspektive auf. Figuren kommen und gehen, doch die Motive und Abläufe der Handlung wiederholen sich immer wieder. Kindheitserinnerungen spielen eine durchgehende Rolle und führen zu vielen Zeitsprüngen. Sowohl der Umfang als auch die schiere Komplexität des Romans machen ihn zu einer Herausforderung für jeden Leser.
Reclam hat nun begonnen, das Werk in einer neuen Ausgabe im Rahmen seiner Reclam-Bibliothek herauszubringen. Den Anlass dazu bietet das hundertjährige Jubiläum seines ersten Erscheinens 1913. Bernd-Jürgen Fischer übersetzt das Werk dazu neu und stattet es mit einem Anmerkungsapparat aus. Der erste Band "Auf dem Weg zu Swann" ist im Herbst 2013 erschienen. Dieser bietet neben der vollständigen, knapp 600-seitigen Neuübersetzung einen Anmerkungsapparat, in dem Begriffe, Namen oder historische Hintergründe erläutert werden, sowie Literaturhinweise und ein Namensverzeichnis. Außerdem erläutert der Übersetzer in einem kurzen Text seine Arbeitsweise.
Es stellt sich bei Klassikern oft die Frage, ob es noch weiterer Übersetzungen bedarf. Sicher kann der Leser sich dies auch bei der neuen Reclam-Neuausgabe von Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" fragen. Unabhängig davon lässt sich aber zweifelsohne sagen, dass der erste Band dieser Neuübersetzung gelungen ist.
Der Übersetzer erläutert in dem Band, dass er das Rad nicht neu erfinden will, sondern sich durchaus an fundierten Editionen und älteren Übersetzungen orientiert. Wo er von diesen abweicht, erklärt er in den Anmerkungen, warum, und bietet auch Alternativen an. So wird der Text auf eine auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Weise präsentiert.
Der Roman selbst stellt selbst für regelmäßige Leser anspruchsvoller Belletristik eine Herausforderung dar. Es tauchen sehr viele Figuren auf, ob einmalig oder mehrmals. Erinnerungen spielen immer wieder eine Rolle. Der Roman versucht die ganze Dichte eines Menschenlebens zu vermitteln. Darin kann sich ein Leser schnell verlieren und den Anschluss an die Handlung verpassen. Die konzentrierte Lektüre lohnt aber in jedem Fall. Denn jeder Leser dürfte sich in dem Werk wiederfinden. Absurde Liebesgeschichten, eitle Mitmenschen, prägende Kindheitserinnerungen, all diese Dinge, die ein Menschenleben ausmachen, hat Proust versucht einzufangen. Das ist spannend und bietet auch Momente der Selbstreflexion.
Wer sich an diese Lektüre wagt, ist mit dieser Neuausgabe sicher gut bedient. Und das allein rechtfertigt schon die wiederholte Neuübersetzung!
Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebsite.