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Alan Moores "Watchmen" faszinieren die Leser seit Jahrzehnten unter anderem durch ihre sehr unterschiedlichen Charaktere und Talente, wobei immer wieder auffällt, dass praktisch keiner von ihnen tatsächlich Superkräfte besitzt. Eine krasse Ausnahme ist natürlich Jon Osterman alias Dr. Manhattan, der bei dem verhängnisvollen Laborunfall zum allmächtigen, allwissenden, quasi allumfassenden Wesen mutierte - eine der intensivsten und dramatischsten Szenen sowohl im Comic als auch in der Verfilmung. Im siebten Teil der Prequel-Reihe "
Before Watchmen" werfen J. Michael Straczynski (Story) und Adam Hughes (Zeichnungen) einen eingehenderen Blick auf die wohl komplexeste Figur der zweiten Wächter-Generation.
"Before Watchmen: Dr. Manhattan" macht den Leser neugierig, noch bevor er den siebten Band der Comicserie überhaupt aufgeschlagen hat - schließlich sind die Vorgeschichte von Jon Osterman und seine Verwandlung zu Dr. Manhattan zumindest in größeren Teilen bereits wohlbekannt. Welche spannenden Aspekte aus seiner Vergangenheit sind hier umgesetzt worden, welche neuen Dinge gibt es zu erfahren? Hinzu kommt, das Dr. Manhattan kein einfacher Charakter ist, dem eine simple Vorgeschichte mit Schwerpunkt auf Action und Crimebusting nicht gerecht werden würde. J. Michael Straczynski hat die schwierige Aufgabe hervorragend gemeistert und einen sehr sanften Übergang geschaffen, der das originale Comic und das neue Prequel geschickt miteinander verwebt, bereits Bekanntes in zahlreichen Szenen noch einmal aufgreift, aber gleichzeitig völlig andere Möglichkeiten eröffnet, das Augenmerk des Lesers auf neue Aspekte lenkt und vor allem durchgängig mit einem großen "Was wäre, wenn ...?" spielt.
Für eine Figur wie Dr. Manhattan, die beliebig in der Zeit vor- und zurückspringen kann und die alle möglichen Realitäten gleichzeitig erlebt, der perfekte Ansatz, der den ehemaligen Physiker trotz seiner Allmacht und seiner Entrücktheit von weltlichen Dingen brennend interessiert: Was wäre, wenn er niemals zu Dr. Manhattan geworden wäre? Straczynski hat den distanzierten und doch seltsam wehmütigen Blick des Charakters auf die Welt so gut eingefangen, sodass es eigentlich überhaupt keinen Bruch zwischen Original und Prequel gibt, die Figur ist perfekt
in character.
Wo die anderen Teile der
Before Watchmen-Reihe mit Action und Spannung fesselten - etwa die spannende Stromausfall-Story in "
Rorschach" oder die enttäuschend wirre Vietnam-Episode in "
Comedian" -, ist Dr. Manhattans Geschichte ruhiger, es "passiert" deutlich weniger, dafür wird es tiefgründig und philosophisch.
Auch zeichnerisch wurde dabei der Komplexität der Figur Rechnung getragen, und dies auf sehr kreative Weise: Die Anordnung der Panels folgt in Teilen der Denkweise von Dr. Manhattan, der alle denkbaren Realitäten zugleich erlebt, und überrascht immer wieder mit neuen Perspektiven - manche Seiten stehen Kopf, andere lassen sich nur lesen, wenn der Leser das Comic im Kreis dreht. Die klaren, ausdrucksstarken Zeichnungen aus der Feder von Adam Hughes und die hervorragende Koloration runden das Bild ab.
"Before Watchmen: Dr. Manhattan" ist auf jeden Fall einer der stärksten Teile innerhalb der ohnehin gelungenen Prequel-Serie. Die Darstellung und (teilweise) Neuinterpretation des außergewöhnlichen Watchmen-Charakters war sicherlich eine echte Herausforderung, die in diesem Comic wohlüberlegt und mit außergewöhnlichen Ansätzen umgesetzt wurde, ohne das Flair des Originals zu stören. Definitiv lesenswert!
Der achte und damit letzte Sammelband von Before Watchmen ("Crimson Corsair") erscheint bei Panini Comics am 17.12.2013 und dreht sich nicht nur um den Roten Korsaren, sondern auch um Moloch und Dollar Bill.
Zur Online-Leseprobe auf der Website von Panini Comics: "Before Watchmen: Dr. Manhattan"