Für die literaturwissenschaftliche Fachdisziplin "Komparatistik" ("Vergleichende Literaturwissenschaft") ist der Themenbereich "Internationalität" das zentrale Arbeitsfeld. Mit dem vorliegenden Band führt der an der Universität Mainz lehrende Literaturwissenschaftler Dieter Lamping in die theoretischen Grundlagen dieses Untersuchungsfeldes ein, indem er auf 127 Seiten eine systematische theoretische Grundlegung unternimmt.

Ausgangspunkt seiner Überlegungen bildet dabei Goethes Idee einer Weltliteratur, die sowohl in der Internationalität einzelner Schriftsteller begründet liegt als auch in grenz- und kulturüberschreitenden intertextuellen Bezügen bestimmter Texte. Die "Internationalität von Schriftstellern" kann dabei auf "internationalen Kontakten" beziehungsweise der Zugehörigkeit zu "internationalen Arbeitsgemeinschaften" beruhen. In manchen Fällen führt auch ein Auslandsaufenthalt dazu. Hinzu kommen muss jedoch in jedem Fall, so Lamping, ein über nationale Themen hinausgreifendes Denken, welches nicht selten auch eine interkulturelle Komponente beinhaltet. Auf der Ebene des Textes zeigt sich Internationalität dagegen durch die drei intertextuellen Bezugstypen "Übersetzung", "Vermittlung" sowie "Verarbeitung fremdsprachiger Literatur". Dies erweitert Lamping zudem, indem darauf hinweist, dass sich Internationalität auch in einem größeren Zusammenhang zeigen kann, indem bestimmte Stoffe, Motive oder Mythen in unterschiedliche Literaturen eingearbeitet werden. Hinzu kommt, dass bestimmte "Nationalliteraturen" wie die jüdische Literatur per se "Weltliteraturen" sind, da diese beispielsweise durch die spezifische Situation der Diaspora nicht an eine bestimmte Sprache gebunden ist.

Eingebettet sind die genannten zentralen Gedanken in drei kurze einführende Kapitel, in denen Lamping erstens die Bedeutung der internationalen Perspektive unterstreicht, zweitens die Bedeutsamkeit des Arbeitsgebietes "Internationale Literatur" für die Fachdisziplin "Komparatistik" hervorhebt, um dann drittens die Begriffe "Abendländische Literatur", "Europäische Literatur" sowie "Weltliteratur" voneinander abzugrenzen. Abgeschlossen wird der Band durch ein Literaturverzeichnis sowie ein Personenregister.

Der Versuch mag lobenswert erscheinen: eine kurze, griffige Einführung zu dem zentralen Arbeitsbereich der Komparatistik zu schreiben. Die Ausführung überzeugt jedoch nur teilweise. Sicherlich: die Darlegungen sind wie in der Einführung angekündigt "auch Studierenden verständlich". Doch inhaltlich ist der Band nichts Halbes und nichts Ganzes. So wirken die theoretischen Ausführungen skizzenhaft, während die angeführten Beispiele häufig lediglich in loser Form reihend nebeneinander gestellt werden; die intendierte Einführung erinnert an manchen Stellen eher an ein Vorlesungsmanuskript als eine stringente Einführung. Gewiss: Es mag – wie Lamping selbst schreibt – "ein erster Versuch sein, internationale Literatur und literarische Internationalität systematisch zu beschreiben". Doch es bleibt zu vermuten, dass dies den Erwartungen mancher Leser nicht genügen wird.

Eine weitere charakteristische Beobachtung ist zudem, dass Lamping trotz der Kürze des Buches viel Raum darauf verwendet, die Bedeutsamkeit des Konzeptes "Internationalität" zu beweisen, an manchen Stellen möchte man sogar sagen: zu verteidigen. Hat er dies nötig? Ist das Konzept der "Internationalität" von Literatur etwa doch nicht so wichtig, dass es sogar verteidigt werden muss? Sicherlich nicht. Denn eines macht Lamping deutlich: "Internationalität" ist ein spannendes Untersuchungsfeld, welches gerade durch die zahlreichen Migrationsvorgänge im 20. und 21. Jahrhundert und der im wahrsten Sinne zunehmenden Vernetzung vieler Autoren aus unterschiedlichen Ländern zukunftsträchtig ist.

FAZIT: In Ermangelung entsprechender Alternativen sicherlich ein notwendiges Buch, welches erst den Beginn darstellt, das Konzept der "Internationalität" von Literatur zu systematisieren. Aufgrund dessen noch etwas skizzenhaft.

Weitere Informationen zum Buch sowie eine Leseprobe finden sich auf der Webseite des Verlags