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Ob wandern oder flanieren, spazieren oder marschieren - gehen ist nicht gleich gehen. So könnte das Motto von Johann-Günther Königs "Geschichte des Gehens" lauten, in welcher er die vielschichtigen Formen und Funktionen des Gehens im Laufe der Menschheitsgeschichte vorstellt.
Begonnen hat das Zufußgehen freilich zunächst mit der Aufrichtung des Menschen. Oder anders gesagt: Aus Vierbeinern wurden Zweibeiner. So verwundert es nicht, dass Johann-Günther König dieses "(r)evolutionäre Schlüsselereignis" an den Beginn seiner Kulturgeschichte des "Gehens" stellt. Nach dieser "dunklen" Vorgeschichte, welche aufgrund der fragmentarischen Funde ein unabgeschlossenes Kapitel ist, folgt dann eine differenzierte, im Großen und Ganzen chronologisch angelegte Darlegung. Dabei wird mit dem 130-seitigen Kernkapitel "1900 Jahre fast nur zu Fuß" nicht nur deutlich, dass das Gehen das älteste Fortbewegungsmittel ist, sondern dass dieses für viele Menschen auch lange Zeit die einzige Form des Fortbewegens war. Erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts und insbesondere im 20. Jahrhundert erhält das Zufußgehen, so König in seinem letzten Kapitel "Von den Füßen geholt", mit der Eisenbahn und später mit der Straßenbahn oder dem Automobil schlagkräftige Konkurrenz.
Abgeschlossen wird der Band schlussendlich durch grundlegende Quellen- und Literaturhinweise.
Johann-Günther Königs "Geschichte des Gehens" ist ein unterhaltsames Sachbuch, welches den Leser auf eine informative und abwechslungsreiche Reise durch die vielen Tausend Jahre andauernde Geschichte des Zufußgehens mitnimmt. Sind die ersten Schritte in der Menschheitsgeschichte noch weitgehend auf archäologische Funde angewiesen, so fußen die Erkenntnisse der "jüngeren" Geschichte, sprich jene seit der Zeit des "Imperium Romanum", weitgehend auf schriftlichen Quellen. Geschickt wechselt der Autor daher im zentralen Kapitel des Bandes ("1900 Jahre fast nur zu Fuß") immer wieder zwischen beschreibenden Darlegungen und zeitgenössischen Quellenzitaten. Hinzu kommen einige (zum Teil auch längere) Auszüge aus der Sekundärliteratur.
Dem Kenner wird dabei manches bestimmt bekannt vorkommen, doch in der vorliegenden Kompilierung ist dieses Buch auf dem deutschen Buchmarkt einzigartig, da eine "Geschichte des Gehens" bislang noch nicht vorlag. Problematisch ist dabei wie König selbst bemerkt, dass das Zufußgehen "von den Akteurinnen und Akteuren oder von den jeweiligen zeitgenössischen Beobachtern bestenfalls gelegentlich bzw. nur am Rande thematisiert" wird. Dies hat zur Folge, dass König somit an einigen Stellen auch eine Geschichte des "Nicht-Gehens" schreibt, da er immer wieder - auch in längeren Passagen - von den alternativen Fortbewegungsformen berichtet, um über diesen Umweg das eigentliche Sujet des Buches einzukreisen.
Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, dass sich König innerhalb der einzelnen Kapitel nicht so recht zwischen chronologischer Darlegung und thematischer Ausdifferenzierung entscheiden kann, sodass sich der Leser immer wieder neu orientieren muss. So ist die "Geschichte des Gehens" eher ein Flanieren, bei dem der Leser nie so recht weiß, wohin ihn die Reise auf der nächsten Seite führen wird, denn ein zielorientiertes Wandern.
Dennoch oder vielleicht gerade deswegen: ein kurzweiliger Gang durch die Geschichte des Gehens.
Weitere Informationen zum Buch, ein Blick ins Inhaltsverzeichnis sowie eine Leseprobe finden sich auf der Webseite des Verlags