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Ein Universalgenie. Die Assoziation zwischen diesem so allumfassenden Begriff und dem Namen Leonardo da Vinci ist heute fest in den Köpfen der Menschen verankert, war Leonardo doch nicht nur Maler, sondern auch Bildhauer, Philosoph, Dichter, Architekt, Naturforscher, Ingenieur, Mechaniker, Anatom und Musiker. Das vorliegende Buch mit dem vagen Titel "Leonardo. Forscher - Künstler - Magier" verspricht, "das deutlichste und fesselndste Bild von Leonardos Leben und Leistung" zu zeichnen.
Leonardo wird am 15. April 1452 dreißig Kilometer östlich von Florenz in der kleinen Stadt Vinci geboren, die ihm später seinen Beinamen geben sollte: Leonardo da Vinci. Während aus den ersten zwanzig Jahren seines Lebens keine Werke Leonardo da Vincis bekannt sind, zählt er in seinem Brief, den er im Alter von etwa dreißig Jahren an Lodovico Sforza schrieb und in welchem er diesem seine Dienste anbot, bereits unglaubliche 36 Bereiche auf, in welchen er sich selbst als Fachmann bezeichnet. Scheinbar zahllose Dokumente, Skizzen, Beobachtungen, Kunstwerke, Entwürfe, Konstruktionen, Notizen und Ideen hat der augenscheinlich unerschöpfliche Geist Leonardos seiner Nachwelt hinterlassen. - Hinterlassenschaften, die es auch heute noch vermögen, Wissenschaftler und Historiker in Erstaunen zu versetzen. Treffend beschrieb Sigmund Freud Leonardo da Vinci folgendermaßen: "Er glich einem Menschen, der in der Finsternis zu früh erwacht war, während die anderen noch alle schliefen."
Bereits während der Einleitung wird deutlich, dass "Leonardo" wohl nicht das Buch ist, welches sich der Leser angesichts des Umschlagtextes vorgestellt hat. Denn anstatt eines allgemeinen Werkes über den Menschen Leonardo da Vinci werden die Erkenntnisse des vorliegenden Sachbuches hauptsächlich auf die Wiederentdeckung zweier Dokumente bezogen, die 1965 in Madrid auftauchten. So stehen alle Aufsätze, die das Leben und Wirken Leonardos darzustellen versuchen, in Verbindung mit diesen so genannten Codices Madrid I und II, wodurch das Sachbuch auch weniger wie eine für den Laien konzipierte Einführung in das Mysterium Leonardo da Vinci erscheint, sondern vielmehr wie eine wissenschaftliche Abhandlung über die beiden gefundenen Codices wirkt. Dementsprechend anspruchsvoll gestalten sich auch die einzelnen Kapitel, die von zehn der führenden Kapazitäten auf dem Gebiet der Leonardo-Forschung, darunter Silvio A. Bedini, Anna Maria Brizio und Ladislao Reti, geschrieben wurden. Während manche der Aufsätze ein schönes, nachvollziehbares Bild Leonardo da Vincis zeichnen, bleiben andere eher abstrakt und unnahbar, wodurch beständig eine scheinbar unüberwindbare Distanz zwischen Leser und Geschriebenem bestehen bleibt. Um den insgesamt sehr trockenen Texten folgen zu können, in welchen die Professoren und Leonardo-Experten ihr Fachwissen ausbreiten, wird dem Leser stets volle Konzentration abverlangt, denn diese Texte nehmen nicht nur Bezug auf gesellschaftlichen, politischen oder (kunst-)historischen Kontext, sondern beschreiben und analysieren Leonardos Werke darüber hinaus nicht selten bis ins Detail. Dass dabei oft Informationen doppelt verwertet werden und sowohl im Fließtext als auch in den ebenfalls recht ausführlich gestalteten Bildbeschreibungen auftauchen, stört auf die Dauer und ist nur dann erfreulich, wenn man das Buch durchblättert und lediglich die Fotos, Zeichnungen und Bilder betrachtet.
Diese enthält das großformatige Hardcover nämlich erfreulicherweise en masse: Über 800 Reproduktionen sind auf den 300 Seiten des Sachbuches über Leonardo da Vinci abgedruckt, meist Abbildungen seiner Kunstwerke, Fotos seiner Skizzen und Zeichnungen sowie seiner handschriftlichen Notizen. Diese häufig großzügig abgebildeten Reproduktionen können die wissenschaftlichen Texte abschnittsweise veranschaulichen und präsentieren sich zudem in einer hervorragenden Qualität. Die Bildunterschriften hingegen sind oft verwirrend angeordnet und lassen sich - trotz Nummerierung von Abbildung und Bildunterschrift - nur selten auf den ersten Blick ausmachen.
Fazit:
So faszinierend es sein mag, wie sehr Leonardo da Vinci seiner Zeit voraus war, so nüchtern und trocken wird dessen Leben und vor allem dessen Schaffen im vorliegenden Sachbuch ausgebreitet. Durch ausschweifende, äußerst detaillierte Beschreibungen misslingt der Versuch der zehn Autoren, einen Gesamtüberblick über Leonardo da Vincis Wissen und Werke zu geben, wodurch "Leonardo. Forscher - Künstler - Magier" für einen Leser, der sich zum ersten Mal eingehender mit dem Universalgenie beschäftigt, eher ungeeignet ist. Wer sich jedoch schon länger mit Leonardo auseinandersetzt, sich bereits in die Geschichte und Hintergründe seiner Zeit eingearbeitet hat und sich nun noch tiefgehender mit der Materie beschäftigen möchte, für den hält das vorliegende Buch sicherlich noch einige interessante Informationen bereit. Trotz seiner optisch reizvollen Aufmachung ist "Leonardo" weniger ein Buch "zum Schmökern", sondern vielmehr ein Buch, mit dem sich der anspruchsvolle Leser intensiv auseinandersetzen kann und muss.